Websites, Apps, Onlineshops, Software und mehr: Neue Verpflichtungen ab Juli 2025 durch das BFSG!

 

Mit dem 28.06.2025 wird das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vollständig in Kraft treten. Das Gesetz resultiert aus der europäischen Richtlinie „European Accessibility Act (EAA)“ kurz „RL (EU) 2018/882“ vom 17.04.2019 und verpflichtet nunmehr auch private Unternehmen.

 

Damit passt das Gesetz die bisherigen Barrierefreiheitsanforderungen aus der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV), der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und dem Behindertengleichstellungsgesetz BGG an die europäische Richtlinie an. 

 

Ob Sie als Unternehmer betroffen sind und welche Konsequenzen für Sie bestehen – diesen und weiteren Fragestellungen widmet sich dieser Beitrag.

 

Welches Ziel verfolgt das BFSG?

 

Konkretes Ziel des BFSG ist nach §§ 1 I 2, 3 I BFSG, dass sowohl Produkte als auch Dienstleistungen von Menschen mit Behinderung leicht auffindbar und zugänglich gemacht werden, indem sie barrierefrei hergestellt, vertrieben und angeboten werden. Dadurch wird gewährleistet, dass das Recht auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von Menschen mit Behinderungen gestärkt wird. Folglich dient das BFSG der digitalen Barrierefreiheit.

 

Eine Notwendigkeit dessen drängt sich geradezu auf, wenn man bedenkt, dass gemäß des statistischen Bundesamts in Deutschland ca. 7,9 Mio. schwerbehinderte Menschen leben und dies eine Quote von 9,3 % ausmacht.

 

Um dieses Ziel durchzusetzen zu können, gilt neben vereinzelnden Regelungen des Medienstaatsvertrags (MStV), insbesondere die Rechtsverordnung „BFSGV“. Eine Verordnung, welche die Anforderungen aus dem BFSG konkretisiert und ihre Grundlage im § 3 II des BFSG hat.

 

Der persönliche Anwendungsbereich:  Wer ist Adressat des BFSG?

 

Das BFSG gilt im B2C Verhältnis. Demnach stehen sich Verbraucher und sogenannte Wirtschaftsakteure gegenüber. Letztere sind nach § 2 Nr. 15 BFSG Hersteller, Einführer (Importeure), sowie Händler und Dienstleistungserbringer. Damit werden verschiedene Akteure der Wertschöpfungskette vom BFSG verpflichtet.  Konsequenterweise fallen darunter Websites von Dienstleistern, Buchungsprotale, Online-Shop- und App-Betreiber (die sich mindestens auch an Verbraucher richten) sowie der Hardware und Software Handel. 

 

Nicht hingegen verpflichtet das BFSG:

  • B2B Wirtschaftsakteure 
  • Kleinstunternehmer nach §§ 2 Nr. 17, 3 III BFSG die Dienstleistungen anbieten oder erbringen und unter zehn Arbeitsnehmer beschäftigen UND deren Jahresumsatz höchstens 2 Mio. EUR oder deren Jahresbilanzsumme höchstens 2 Mio. EUR beträgt.

Der sachliche Anwendungsbereich: Was ist vom BFSG betroffen? 

 

Ob das BFSG in sachlicher Hinsicht anzuwenden ist, richtet sich danach, ob nach dem 28.06.2025 ein Produkt im Sinne des § 2 Nr. 2 BFSG oder eine Dienstleistung nach § 2 Nr. 3 BFSG in den Verkehr gebracht wird

 

Nach der Begriffsbestimmung aus § 2 Nr. 2 BFSG ist ein Produkt „ein Stoff, eine Zubereitung oder eine Ware, der oder die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden ist, mit Ausnahme von Lebensmitteln, Futtermitteln, lebenden Pflanzen und Tieren, Erzeugnissen menschlichen Ursprungs und Erzeugnissen von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen“. 

Eben solche Produkte sind: 

  • Hardwaresysteme (Notebooks, Computer, Smartphones, Tablets)
  • Selbstbedienungsterminals (Geldautomaten, Fahrausweis-Automaten)
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang (Smart-TV)
  • E-Book Lesegeräte 
  • Verbraucherendgeräte für Telekommunikationsdienste (Router)

Dahingegen umfasst der Begriff „Dienstleistung“ nach § 2 Nr. 3 BFSG i.V.m. Art. 4 Nr. 1 der RL 2006/123/EG „jede selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen ein Entgelt erbracht wird“. Darunter fallen auch Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr i.S.d. § 2 Nr. 26 BFSG.

Davon umfasst werden daher: 

  • Telekommunikationsdienste (Telefon- und Messenger-Dienste)
  • E-Book-Software
  • Bankdienstleistungen
  • Personenbeförderungsdienste 
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (Online-Terminbuchungsportale)

Es gelten jedoch auch in sachlicher Hinsicht Ausnahmefälle, die in den §§ 16, 17 BFSG geregelt werden. Danach muss der Wirtschaftsakteur nicht den Barrierefreiheitsanforderungen aus dem BFSG nachkommen.

  • § 16 BFSG: Führt die Barrierefreiheitsanordnung zur wesentlichen Änderung des Wesensmerkmals eines Produkts oder einer Dienstleistung, so muss der Wirtschaftsakteur keine Anpassung vornehmen. Er wird jedoch verpflichtet diese Beurteilung zu dokumentieren, fünf Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörde vorzulegen.
  • § 17 BFSG: Führt die Anpassung eines Produkts oder einer Dienstleistung zur unverhältnismäßigen Belastung nach Anlage 4 des Gesetzes, so ist auch diese Anpassung nicht vorzunehmen. Der Wirtschaftsakteur ist ebenfalls zur Dokumentation, Aufbewahrung und ggf. zur Herausgabe dieser eigenständigen Beurteilung verpflichtet.

Welche Anforderungen bestehen für die nach dem BFSG umfassten Produkte und Dienstleistungen? 

 

§ 3 I 2 BFSG fordert zunächst, dass Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen barrierefrei und damit in einer allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein müssen.  Konkretisiert wird dies durch die BFSGV, insbesondere der §§ 4 ff. BFSGV. 

 

Beispielsweise müssen Produkte über mindestens zwei sensorische Kanäle zur Verfügung gestellt, in verständlicher Weise dargestellt werden, wobei die Darstellungsweise und demnach die Schriftart und Größe Relevanz hat. Ähnliches gilt für Dienstleistungen nach den §§ 12 ff. BFSGV. Für diese bestehen besonders hohe Anforderungen hinsichtlich der Textabbildung, zusätzlich müssen die angebotenen sensorischen Kanäle leicht auffindbar sein. 

 

Welche konkreten Anforderungen bestehen für die Wirtschaftsakteure?

 

Folgend wird vereinfacht dargestellt, welche Nachweis- und Mitteilungspflichten die jeweiligen Wirtschaftsakteure treffen

 

Hersteller §§ 6 ff. BFSG

o Technische Dokumentation 

o Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahren 

o Anbringung der CE-Kennzeichnung

o Aufbewahrung der EU-Konformitätserklärung

o Kennzeichnungs- und Informationspflicht

 

Importeur §§ 9 f. BFSG

o Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahren 

o Anbringung der CE-Kennzeichnung

o Beifügung von Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen

o Prüfpflicht über Hersteller

o Kennzeichnungs- und Informationspflicht 

 

Händler §§ 11 ff. BFSG

o Prüfpflicht 

o Verantwortlichkeit der Lieferkette 

 

Dienstleistungserbringer § 14 BFSG, Anlage 3 Nr. 1 BFSG

o AGB-Klausel oder anders deutlicher Hinweis, inwieweit die Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt

o Beschreibung der Dienstleistung als solches, die die Barrierefreiheitsanforderung erfüllt

 

Wer kontrolliert die Durchsetzung des BFSG?

 

Die Kontrolle der Einhaltung des BFSG übernehmen die Marktüberwachungsorgane der Bundesländer. Zusätzliche Unterstützung erhalten sie durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), welche die Kooperation zwischen den Bundesländern koordiniert. 

 

Die Marktüberwachungsorgane der Länder können bei Verstößen gegen das BFSG selbst tätig werden, indem sie stichprobenhaft Produkte und Dienstleistungen von Wirtschaftakteuren überprüfen. Gleichermaßen können die Marktüberwachungsbehörden nach § 32 I 1 BFSG auf Antrag der Verbraucher tätig werden. Es sind zusätzlich Anträge nach § 32 I 2 BFSG von - nach dem Behindertengleichbehandlungsgesetz anerkannten - Verbänden zu befürchten, die Verbraucher vertreten. 

 

Zusätzlich können Wettbewerbsteilnehmer ggf. selbst durch Abmahnungen gegen Verstöße vorgehen. 

 

Welche Folge droht bei einem Rechtsverstoß?

 

Wird gegen das BFSG verstoßen, so fordert das Marktüberwachungsorgan zunächst den Wirtschaftsakteur zum Nachkommen auf. Zusätzlich wird er zur Kooperation mit der Behörde verpflichtet.

 

Trifft der Wirtschaftsakteur keine eigene Maßnahme innerhalb einer gesetzten Frist, so greift das Marktüberwachungsorgan ein und ergreift selbst eine Maßnahme. Das kann die Einschränkung von bereitgestellten Produkten, wie eine Rücknahme oder ein Rückruf bedeuten. Dies betrifft sowohl Hersteller als auch Händler und Importeure.

 

Es können aber auch Bußgeld von bis zu 100.000 EUR verhängt werden, wenn Wirtschaftsakteure vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Anforderungen des BFSG verstoßen. 

 

Fazit

Infolge der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und der Ausnahmeprüfung nach den §§ 16, 17 BFSG stellen sich für Unternehmer zahlreiche Fragen. Auch bedarf es einer schnellen Umsetzung, da das BFSG im Juli 2025 in Kraft tritt. Deshalb bleibt leider nicht mehr viel Zeit.

 

 

"Websites, Apps, Onlineshops, Software und mehr: Neue Verpflichtungen ab Juli 2025 durch das BFSG!"

von Sadia Azizi, wissenschaftliche Mitarbeiterin