Der BGH zur Zulässigkeit eines durch Software ermittelten Bewertungsdurchschnitts auf yelp.de

Die Klägerin, eine Betreiberin mehrerer Fitnessstudios im Raum München, hatte die Beklagte bereits im Jahr 2014 vor dem Landgericht München I auf Unterlassung der Bewertung ihres Unternehmens im Internet in Anspruch genommen. Die Beklagte betreibt unter www.yelp.de ein Portal zur Bewertung von Unternehmen. Nun hat der Bundesgerichtshof das letzte Wort gesprochen.

Die Bewertung der Unternehmen auf www.yelp.de funktioniert folgendermaßen:

Die Nutzer können ein Unternehmen auf der Website www.yelp.de mit einem Text und einem bis zu fünf Sternen bewerten. Das Bewertungsportal wiederum zeigt alle erstellten Beiträge an, teilt diese jedoch mit Hilfe einer Software automatisiert in „empfohlen“ und „(momentan) nicht empfohlen“ ein. Bei Aufruf eines Unternehmens werden mit dessen Bezeichnung und Darstellung bis zu fünf Sterne angezeigt, die dem Durchschnitt der Vergabe in den "empfohlenen" Nutzerbeiträgen entsprechen (Bewertungsdurchschnitt). Unmittelbar daneben steht "[Anzahl] Beiträge". Unter der Darstellung des Unternehmens ist eine entsprechende Anzahl von Bewertungen - überschrieben mit "Empfohlene Beiträge für [Unternehmen]" - jeweils mit den vergebenen Sternen und dem Text wiedergegeben. Am Ende dieser Wiedergabe steht "[Anzahl] andere Beiträge, die momentan nicht empfohlen werden".


Laut der Beklagten zieht die Software bei der Einteilung in "empfohlenen" und „(momentan) nicht empfohlen“ mehrere Faktoren in Betracht, wie z.B. die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Users auf Yelp. Dieser Vorgang sei gleich für alle Geschäftsauflistungen und habe nichts damit zu tun, ob ein Unternehmen ein Anzeigenkunde sei oder nicht.


Am 10.02.2014 zeigte das Portal eine Bewertung des Unternehmens der Klägerin mit einem Bewertungsdurchschnitt von nur drei Sternen an. Hierbei wies es lediglich einen empfohlenen Betrag und 24 nicht zu empfehlende Beiträge aus, die allerdings überwiegend positive Bewertungen zum Inhalt hatten.


Nach Ansicht der Klägerin sei für den Nutzer nicht nachvollziehbar, dass sich der Bewertungsschnitt nicht aus allen Bewertungen, sondern lediglich aus den empfohlenen Bewertungen ergebe. Die Unterscheidung zwischen beiden Arten von Bewertungen sei willkürlich und nicht anhand nachvollziehbarer Kriterien erfolgt, so dass sich ein verzerrtes und damit falsches Gesamtbild ergebe.


Die Meinungen der angerufenen Gerichte gingen bei der Frage, ob diese Art der Bewertung zulässig ist, auseinander. So hatte das Landgericht München I im Jahre 2016 die Klage abgewiesen, vgl. Landgericht München I, Urteil v. 12.02.2016, Az.: 25 O 24646/14).


Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil hatte sodann vor dem Oberlandesgericht München (OLG) Erfolg. Die Beklagte wurde zur Unterlassung der Bewertung und zum Schadensersatz verurteilt, vgl. OLG München, Urteil v. 13.11.2018, AZ.: 18 U 1282/16.

 

Nun hat der BGH (Bundesgerichtshof) wohl das letzte Wort in diesem Rechtsstreit gesprochen. Er gab der Beklagten Recht und stellte das klageabweisende Urteil des Landgerichts München I wieder her, vgl. BGH, Urteil v. 14.01.2020, VI ZR 496/18.  Der BGH verneinte Ansprüche des Klägers aus §§ 823, 824 BGB gegen yelp. Die Beklagte habe nicht - wie in der Bestimmung des § 824 BGB vorausgesetzt - unwahre Tatsachen behauptet oder verbreitet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts äußere die Beklagte mit der angegriffenen Bewertungsdarstellung nicht, dass es sich bei dem angezeigten Bewertungsdurchschnitt um das Ergebnis der Auswertung aller für das Fitness-Studio abgegebenen Beiträge handele und dass der daneben stehende Text deren Anzahl wiedergebe. Denn der unvoreingenommene und verständige Nutzer des Bewertungsportals entnehme der Bewertungsdarstellung zunächst, wie viele Beiträge die Grundlage für die Durchschnittsberechnung bildeten, und schließe daraus weiter, dass Grundlage für die Durchschnittsberechnung ausschließlich der "empfohlene" Beitrag sei und sich die Angabe der Anzahl nur darauf beziehe. Die Bewertungsdarstellung der Beklagten greife auch nicht rechtswidrig in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1 BGB ein.  Die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin überwögen nicht die schutzwürdigen Belange der Beklagten. Die Anzeige des Bewertungsdurchschnitts und der Einstufung von Nutzerbewertungen als "empfohlen" oder "nicht empfohlen" sei durch die Berufs- sowie Meinungsfreiheit geschützt; ein Gewerbetreibender müsse Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen.


Dieses Urteil ist durchaus kritisch zu sehen. So stellt der BGH, wie so oft, auf den sog. unvoreingenommenen und verständigen Nutzer ab. Damit meint er einen solchen Nutzer, der sich alle Informationen über das Zustandekommen der Bewertung vorab verschafft und sich dann auf dessen Grundlage unvoreingenommen ein Urteil bildet. Ein solcher Idealtypus eines Internetnutzers dürfte jedoch an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei gehen. So dürfte die Unterscheidung zwischen empfohlenen und nicht empfohlenen Bewertungen dem zumeist eher flüchtigen Leser im Internet schon vorborgen bleiben, von der Erstellung des Bewertungsschnitts allein auf Grundlage der empfohlenen Beiträge ganz zu schweigen. Dies wird in dem vorliegenden Fall noch einmal verstärkt, da die diesem Rechtsstreit zugrunde liegende Bewertung lediglich auf einem empfohlenen Beitrag beruhte, mithin noch nicht einmal ein Schnitt gebildet wurde, während 24 überwiegend positive Bewertungen nicht berücksichtigt wurden. Der flüchtige Leser dürfte hauptsächlich die Bewertung mit nur 3 Sternen wahrnehmen. Und eine solche wird im Internet regelmäßig als schlecht bzw. unterdurchschnittlich wahrgenommen.

"Der BGH zur Zulässigkeit eines durch Software ermittelten Bewertungsdurchschnitts auf yelp.de"

von Rechtsanwalt Markus Schultz