Wir kennen Sie alle – die Szene in amerikanischen Filmen, in denen ein Krimineller verhaftet wird und die Polizisten folgenden Text runterbeten: „Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden…“. Ähnlich sollte sich die Situation tatsächlich auch in Deutschland darstellen. Denn eine Einwilligung in strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen kann wegen mangelnder Belehrung rechtswidrig sein. So entschied das Landgericht (LG) Kiel mit Beschluss vom 19.08.2021 (10 Qs 42/21).
Dass dem Datenschutz auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ein hoher Stellenwert zukommt, hat der europäische Rat spätestens seit der Richtlinie EU 2016/680 vom 27.04.2016 klargestellt. § 500 Strafprozessordnung (StPO) stellt dafür den Einstieg dar, denn dieser statuiert, dass im Falle der Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder §§ 45 ff. der BDSG entsprechend anwendbar sind. Auf diese Weise sind für Ermittlungsmaßnahmen nach der StPO besondere Einschränkungen für die Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 51 BDSG zu beachten.
Die Einwilligung in die Durchsuchung ist nämlich laut LG Kiel dann unwirksam, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden und hierbei gegen die Anforderungen aus § 51 BDSG verstoßen wird, insbesondere die erforderliche Belehrung über die Widerruflichkeit, ihre ex-nunc-Wirkung und über den Zweck der Datenverarbeitung ausbleibt.
Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen begründen in der Regel Grundrechtseingriffe. Deswegen bedarf jede Zwangsmaßnahme einer Rechtfertigung, die formell und materiell von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verhältnismäßig sein muss. Eine Einwilligung durch den Betroffenen in eine Durchsuchung und andere Ermittlungsmaßnahmen vereinfacht demnach häufig das Leben der Beamten. Denn eine Einwilligung nimmt „Zwangs“ -maßnahmen ihren Zwangs- und Eingriffscharakter, da der Betroffene über sein subjektives Recht disponiert. Ein erforderlicher richterlicher Beschluss erübrigt sich.
Eine Einwilligung des Betroffenen kann aus verschiedenen Gründen erfolgen. So kann er sich zum Beispiel erhoffen, seine Unschuld zu beweisen oder irrig davon ausgehen, dass er hierzu verpflichtet sei. Er kann sich aber auch vor den Folgen einer Weigerung fürchten (El-Ghazi, ZIS 2019, 110, 112). Aus Sicht eines Laien liegt zumindest die (falsche) Annahme nahe, die Beamten werden die Verweigerung zum Anlass nehmen, jetzt erst recht weitere Maßnahmen zu ergreifen. Um den Anschein zu vermeiden, man habe etwas zu verbergen, würden sich viele „genötigt“ sehen, ihre Zustimmung zur Zwangsmaßnahme zu erteilen. Dem soll mit einer ordnungsgemäßen Belehrung entgegengewirkt werden.
In der Entscheidung des LG Kiel ging es um folgenden Sachverhalt:
Bei einer routinemäßigen Ausweiskontrolle zweier Personen durch zwei Polizeibeamten bemerkten diese, dass es aus der Bauchtasche des Beschwerdeführers sowie aus dem Inneren des Fahrzeugs stark nach Marihuana roch. Einer der Polizeibeamten fragte den Beschwerdeführer, ob er in dessen Bauchtasche und Kofferraum sehen dürfe. Der Beschwerdeführer war einverstanden. Die Beamten fanden in der Bauchtasche und im Kofferraum eine Ecstasy-Tablette sowie ca. zwei Kilogramm Marihuana, mehrere Mobiltelefone und Bargeld im Gesamtwert von 2.245,- Euro. Erst nach Abschluss der Durchsuchung nahmen die Polizeibeamten telefonisch Kontakt zum diensthabenden Bereitschaftsstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Kiel auf und schilderten diesem den vorstehenden Sachverhalt. Dieser ordnete daraufhin die Durchsuchung der Wohnungen und des übrigen Kraftfahrzeuges an.
Der Beschwerdeführer stellte vor dem LG Kiel gegen die Durchsuchung des Kofferraums einen Antrag auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme – erfolglos. Das LG Kiel hingegen hob den Beschluss auf und stellte die Rechtswidrigkeit der Maßnahme fest.
Dies begründete das LG Kiel damit, dass der Beschwerdeführer vor Abgabe der Einwilligung, entgegen § 500 Abs. 1 StPO, § 51 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 3 BDSG, nicht über die Widerruflichkeit und deren ex-nunc-Wirkung, sowie über den Zweck der Datenverarbeitung belehrt wurde. Der Beschwerdeführer habe die Einwilligung daher nicht ausreichend informiert abgeben können, so dass diese unwirksam war und keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung darstellt. In den Augen des LG Kiel stellt die Durchsuchung des Kraftfahrzeugs nämlich eine Information gemäß § 46 Nr. 1 BDSG dar, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person bezieht. Durch die Durchsuchung erheben die Polizeibeamten die Information, dass sich Betäubungsmittel in dem auf den Beschwerdeführer zugelassenen Kraftfahrzeug befanden, so dass dort ein eindeutiger Bezug zugewiesen werde.
"Datenschutzrechtliche Auswirkungen auf Ermittlungsmaßnahmen"
von Miriam Gavrilescu, wissenschaftliche Mitarbeiterin