Urheberrecht: Sony klagt gegen Cheat-Software-Hersteller

Mit Beschluss vom 23.03.2023 (Az. I ZR 157/21) hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Verfahren in dem seit 2012 andauernden Rechtsstreit zwischen Sony und einem Cheat-Software-Hersteller ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens zwei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen vorgelegt. 

 

Schneller, weiter, besser – so, oder so ähnlich lautet die Devise vieler Gamer, die sich in unterschiedlichsten Videospielen allein oder untereinander messen. Je mehr Skills und Punkte gesammelt werden, desto höher der Spielerfolg. 

 

Doch wie aussagekräftig ist ein solcher Erfolg, wenn nicht alle Spieler mit denselben Voraussetzungen starten? Sogenannte Cheat-Tools ermöglichen es über eigene Menüs von den Entwicklern nicht vorgesehene Befehle in Videospielen zu aktivieren. In dem von Sonys Klage betroffenen Rennfahrspiel können so etwa alle Fahrer freigeschaltet werden und der normalerweise eingeschränkte Turbo dauerhaft genutzt werden. Diese Software der Beklagten funktioniert ausschließlich mit den Originalspielen der Klägerin und ist auf die bis 2014 durch diese vertriebene Konsole PlayStationPortable (kurz: PSP) zugeschnitten. Die Konsole wird dabei mit einem PC verbunden und in die PSP wird ein Memory Stick eingelegt und mit der Software der Beklagten beschrieben. 

 

Sony sieht hierin eine Urheberrechtsverletzung durch die Cheat-Software sei eine Umarbeitung im Sinne des § 69c Nr.2 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) gegeben. Laut § 69c Nr. 2 S. 1 UrhG hat der Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms (§ 69a Abs. 1 UrhG) sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse vorzunehmen oder zu gestatten. Eine Zustimmung hat Sony den Beklagten vorliegend nicht erteilt. Insofern stellt sich die Frage, ob überhaupt in den Schutzbereich des Computerprogramms eingegriffen wird und ob durch eine Beeinflussung der während des Spiels generierten variablen Daten im Arbeitsspeicher in ein Computerprogramm im urheberrechtlichen Sinne eingegriffen wird. 

 

Der BGH legt seine Auffassung dar und führt hierzu unter anderem aus:

 

,,Dieser Ansicht dürfte ebenfalls nicht zu folgen sein. Der Gang der Handlung und die Ausgestaltung von Szenen mögen in den Programmdaten des Objekt- und Quellcodes zum Ausdruck kommen. Dies dürfte auch für die vom Entwickler als Kategorie vorgesehenen Variablen gelten, die den Gang der Handlung mitbestimmen und im Objekt- und Quellcode niedergelegt sind. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen greift die Software der Beklagten aber gerade nicht in diese vom Entwickler geschaffenen handlungsbestimmenden Elemente des Spieleprogramms ein, sondern verändert nur den beim Spielen durch den Nutzer generierten Inhalt der Variablen. Diese Inhalte an sich sind aber nicht Ausdruck einer eigenpersönlichen Gestaltung des Urhebers, sondern betreffen den vom Verhalten des Nutzers abhängigen konkreten Ablauf des Programms. Die Software der Beklagten verändert nicht den Gang der Handlung oder die Ausgestaltung von Szenen, sondern allein die Reihenfolge oder Häufigkeit der Wiedergabe von Handlungsabläufen oder Szenenfolgen. Auch der von der Revision geltend gemachte Hinweis auf einen urheberrechtlichen Schutz des Gangs der Handlung und der Ausgestaltung von Szenen führt mithin nach den Umständen des Streitfalls nicht zu einem Eingriff in den Schutzbereich des Computerprogramms, sondern zielt der Sache nach wiederum auf einen in der Richtlinie 2009/24/EG nicht vorgesehenen Schutz der Programmidee, des Programmablaufs und der Funktionalität des Programms.‘‘  

 

Der EuGH soll nun konkret folgende Vorlagefragen beantworten:

 

1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

 

2. Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet? 

 

Erst nach Beantwortung dieser Auslegungsfragen durch den EuGH kann der BGH beurteilen, ob die Cheat Software das Urheberrecht von Sony tatsächlich verletzt und diesem die begehrte Schadensersatz- und Unterlassungsforderung zusteht oder nicht. 

 

"Urheberrecht: Sony klagt gegen Cheat-Software-Hersteller"

von Gina Amalathasan, wissenschaftliche Mitarbeiterin