Erneut hat sich ein Gericht mit der Störerhaftung von Google Inc. (Google) bezüglich der Löschung bzw. Sperrung einer Website aus dem Suchindex befasst. Mit Urteil vom 09.02.2017 gab das Landgericht Frankfurt a.M. (Az. 2-03 S 16/16) in II. Instanz dem Kläger Recht und verurteilte Google, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschlands die angegriffene Indexierung bei Eingabe der entsprechenden Keywords zu unterlassen. Damit haftet also Google ggf. für Bilder im Internet.
Auslöser des Rechtstreits war ein Beitrag in einem anonymen Blog. In diesem Beitrag war ein Foto des Klägers abgebildet, wozu der Kläger keine Einwilligung erteilt hatte – so zumindest der
Vortrag des Klägers. Der Bericht enthielt nach Auffassung des Klägers unwahre Tatsachenbehauptungen, da ihm unterstellt werde, gemeinsam mit einer dritten Person in unseriöse Geschäfte verwickelt
zu sein. Der Betreiber der Website war nicht zu ermitteln. Aus diesem Grund begehrte der Kläger vorgerichtlich von Google unter Inanspruchnahme des dafür vorgesehenen Online-Formulars die
Unterlassung der Indexierung unter Eingabe seines Namens.
Google lehnte dies ab. Insbesondere müsse der (spätere) Kläger beweisen, dass eine Einwilligung in die Veröffentlichung des Fotos nicht vorliege. Selbst wenn eine solche Einwilligung nicht erteilt worden sei, so wäre eine Veröffentlichung deshalb gestattet, weil es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handele. Schließlich hafte Google nur subsidiär und könne sich auf die Haftungsprivilegien der §§ 8-10 Telemediengesetz (TMG) berufen.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main wies die Klage mit Urteil vom 30.05.2016 ab, der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein – mit Erfolg. Das Landgericht Frankfurt am Main stütze den Unterlassungsanspruch auf §§ 823 Abs. 1; 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); 22; 23 Kunsturhebergesetz (KUG).
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei Google als mittelbarer Störer anzusehen. Dessen Haftung könne erst dann angenommen werden, wenn dieser – wie hier bezüglich der verwendeten Bilder –
konkret über die Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde. Anders als von Google angenommen, treffe denjenigen die Beweislast für die Einwilligung, bzw. bei Fehlen einer solchen das Vorliegen
der Ausnahmetatbestände des § 23 KUG, der das entsprechende Bildnis verwendet; vorliegend also Google.
Da bezüglich der ausdrücklichen Einwilligung kein Beweisantritt seitens Google erfolgte, setzte sich die Kammer ausführlich mit den Ausnahmetatbeständen des § 23 KUG auseinander:
„Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht auf eine Ausnahme nach § 23 KUG berufen. Insbesondere ist ein Ausnahmetatbestand nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht gegeben, da ein zeitgeschichtliches Ereignis, das die
öffentliche Zurschaustellung des Bildnisses des Klägers rechtfertigen würde, nicht vorliegt.
Der Begriff der Zeitgeschichte ist im Interesse der Informationsfreiheit weit auszulegen und auf alle Vorgänge von gesellschaftlicher Relevanz anzuwenden (BGH NJW 2010, 3025 - Galadiner im
Centre Pompidou; BGH NJW 2011, 844 - Party-Prinzessin; BGH NJW 2011, 746 - Rosenball in Monaco; Soehring/Hoene, PresseR, 5. Aufl. 2013, § 21 Rn. 2h). Es kommt daher darauf an, ob Gegenstand einer
Bildberichterstattung eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, eine Person im Blickpunkt des öffentlichen Interesses oder keines der beiden steht.
Dafür, dass der Kläger als Persönlichkeit des öffentliches Lebens anzusehen ist, ist vorliegend nichts ersichtlich.
Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit können solche sein, die nicht durch ihre eigene Stellung in der Gesellschaft und/oder politische bzw. berufliche Leistungen aus der Masse
hervorragen, sondern die erst aufgrund ihrer Beziehungen zu einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten und auf diese Weise zum Gegenstand des
Informationsinteresses werden (Soehring/Hoene, a.a.O., § 21 Rn. 5). Auch hier ist aber maßgeblich, ob eine thematische Bindung der Person an ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt und dadurch
situationsbedingt ein legitimes Berichterstattungsinteresse besteht. Entscheidend ist, dass das Thema des Artikels von öffentlichem Interesse ist und die Berichterstattung mit Foto einen noch
ausreichenden Bezug hierzu aufweist (Diederichsen, AfP 2012, 217, 221).
Dies ist hier nicht der Fall. Ein zeitgeschichtliches Ereignis, aufgrund dessen die Rechte der Verfasser des streitgegenständlichen Beitrages und der Nutzer das Recht des Klägers am Eigenbild
überwiegen (vgl. Dreier/Schulze-Specht, a.a.O., § 23 KUG Rn. 10), ist nicht erkennbar. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger im Rahmen einer Berichterstattung über ein
zeitgeschichtliches Ereignis dargestellt wird. Die Berichterstattung enthält hauptsächlich Kritik an Herrn A.... Der Kläger wird insoweit - ohne jeden konkreten Bezug zu einer konkreten Handlung
oder zu einem konkreten Anlass - dargestellt als jemand, der dem Herrn A... hilft. Die geschäftliche Beziehung zu Herrn A... allein, die hier vorliegend seit Jahren unstreitig nicht mehr besteht,
stellt aber ohne weitere Erläuterung kein zeitgeschichtliches Ereignis dar, das eine Abbildung des Klägers rechtfertigen würde. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Abbildung des
Klägers selbst ebenfalls keinen Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis darstellt, sondern allein seine Person zu erkennen ist, wobei das Foto nach dem Vortrag des Klägers in privatem Rahmen
aufgenommen worden ist. Außerdem wurde das Foto erkennbar bearbeitet und der Hintergrund entfernt, so dass nur noch der Kläger zu sehen ist. Auch der angegriffene Beitrag stellt einen Bezug zu
einem konkreten Ereignis nicht her, sondern stellt vorangehend lediglich die Frage, wie der Kläger aussieht ("What does B... look like?")."
Google könne sich nicht auf die in den §§ 8-10 TMG normierten Privilegierungen berufen. Hier setzte sich das Landgericht zunächst umfassend mit der möglichen Einschränkung dieser Privilegierung
im Lichte der „McFadden“ Entscheidung des EuGH (Urteil vom 15.09.2016 C-484/14) auseinander,
konnte diese aber letztendlich offen lassen: Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Normen seien vorliegend nicht erfüllt.
Die Privilegierung des § 8 TMG sei auf Google nicht anwendbar. Diese begünstige
nur Access Provider. Ein solcher ist:
„wer fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder zu diesen den Zugang vermittelt und die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht
ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat. Grundlage für die Privilegierung ist, dass der Access Provider sich im Hinblick auf die betroffenen
Informationen in einer neutralen Rolle befindet (vgl. OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 - 15 U 189/15, BeckRS 2016, 18916 Rn. 109).“
Dies könne bei Google nicht angenommen werden, weil die erbrachten Leistungen weit über die reine Übermittlung fremder Informationen oder Zugangsvermittlungen zu solchen Informationen
hinausgingen. Denn Google indexiere die entsprechenden Websites und veranlasse deren Speicherung im Cache zur schnelleren erneuten Aufrufbarkeit. Weiter bewerte Google die Suchergebnisse für
spätere Suchanfragen. Darüber hinaus habe Google, anders als ein Access Provider, auch unmittelbare Kontrolle auf die Informationen, weil sie durch unterbleibende Indexierung bzw. Sperrung deren
Anzeige verhindern könne.
Auf die Privilegierungen der §§ 9, 10 TMG könne sich Google nicht berufen, da die durch den Kläger angezeigte Rechtsverletzung offenkundig und leicht erkennbar gewesen sei. Aus diesem Grund habe
für Google eine Pflicht zum Handeln bestanden.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat gemäß § 543 Absatz 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) die Revision zugelassen, da höchstrichterliche Rechtsprechung zu den hier streitentscheidenden Fragen bezüglich der Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG bzw. der Verteilung von Darlegungs- und Beweislast bei Ansprüchen auf Entfernung von Links nicht vorliege. Ob Google innerhalb der Notfrist des § 548 ZPO die Revision bei dem Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt hat, ist derzeit nicht bekannt, gegebenenfalls wird der Beitrag entsprechend ergänzt.
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