Laut einer aktuellen Studie nehmen Hetze und Hass im Internet weiter zu. Fake News und Hate Speech sind mittlerweile allgemein bekannte Begriffe. Und um die Buzzwords mit der bekannten Plattitüde zusammenzufassen: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Also Achtung, es folgt kein weiteres Bullshit-Bingo, sondern die Darstellung eines Verfahrens, das zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte, und zwar unter anderem wegen einer Äußerung im Internet:
Was war geschehen?
Die 89 Jahre alte Angeklagte hatte im Zeitraum von Juli bis September 2014 eine Website betrieben, auf der sie historische Artikel über die Zeit des 2. Weltkriegs öffentlich machte. In diesen Artikeln hatte sie unter anderem den Holocaust und die Existenz des Vernichtungslagers Auschwitz geleugnet. Im September 2016 musste sie sich deshalb wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht Detmold verantworten. Nach Ende der Beweisaufnahme, den Plädoyers und der Erteilung des letzten Wortes zog sich das Gericht zu einer Verhandlungspause zurück, um über das Urteil zu beraten. In dieser Pause verteilte die Angeklagte mehrere Blattsammlungen an Zuschauer und Pressevertreter, in denen sie erneut den Holocaust und das Vernichtungslager Auschwitz leugnete.
Wegen dieser Taten ist die Angeklagte in erster Instanz wegen Volksverhetzung von den Amtsgerichten Bad Oeynhausen (Urteil vom 11. Oktober 2016, Az. 85 Ds - 261 Js 317/14 - 197/16) und Detmold (Urteil vom 17.02.2017, Az. 2 Ds - 21 Js 814/16 - 1203/16) jeweils zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Über die Berufung hat im Fortgang das Landgericht Detmold am 28.11.2017 nach Verbindung der beiden Verfahren entschieden. Es verurteilte die Angeklagte wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten ohne Bewährung.
Gegen dieses Urteil legte die Angeklagte Revision zum Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein. Dessen 4. Strafsenat hat mit Beschluss vom 30.05.2018 die Berufung der Angeklagten als unbegründet verworfen (Az. 4 RVs 37/18). Damit ist das Urteil des Landgerichts Detmold rechtskräftig.
Mit ihren im Internet veröffentlichten und im Sitzungssaal verteilten Schriften erfüllte die Angeklagte nach dem Beschluss des OLG mehrfach den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB). Ihre Behauptungen, das Vernichtungslager Auschwitz sei lediglich ein Arbeitslager gewesen und den Holocaust habe es nie gegeben, stellte sie hierin als zwingend aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zu schlussfolgern dar. Damit stellte sie ihre Behauptung auf die Ebene von Tatsachen. Da jedoch das Massenvernichtungsunrecht, welches insbesondere der jüdischen Bevölkerung unter der NS-Herrschaft zugefügt wurde, eine geschichtlich erwiesene Tatsache ist, kann deren Inabredestellen nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Grundgesetz (GG) erfasst sein.
Das Leugnen des Holocaust und die Vernichtung von Juden in Auschwitz erfüllen mithin den Tatbestand der Volksverhetzung. Die Schriften der Angeklagten sind nach dem OLG auch geeignet, den öffentlichen Frieden i.S.d. § 130 Absatz 1 StGB zu gefährden. So hat aufgrund deren Veröffentlichung die Gefahr bestanden, dass die falschen Tatsachen von Gleichgesinnten weiter getragen und dadurch das politische Klima aufgeheizt und Unfrieden in der Bevölkerung gestiftet werden. Die Angeklagte hat vorsätzlich gehandelt. Die Verteilung der Schriften im Sitzungssaal wurde zudem nicht als legitime Handlung der Strafverteidigung eingestuft.
Auch der Rechtsfolgenausspruch der Kammer weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Das hohe Alter der Angeklagten ist zu ihren Gunsten berücksichtigt worden.
Diese Verurteilung ist nur eine von vielen Entscheidungen zum Thema Volksverhetzung im Internet. Sie bewegt sich ähnlich wie bei den Beleidigungsdelikten nach §§ 185 ff. StGB im Spannungsfeld zwischen erlaubten und von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützten Äußerungen einerseits und dem Überschreiten dieser Grenze hin zu strafbarem Handeln andererseits. Hier hat das OLG sich deutlich positioniert.
Von prominenten Fällen wie der Verurteilung des RAF-Anwalts Horst Mahler wegen Volksverhetzung über eine Internetäußerung eines ehemaligen Richters über den Sohn von Boris Becker bis hin zu in sozialen Netzwerken veröffentlichten Äußerungen bleibt der Vorwurf der Volksverhetzung aktuell. Die hier besprochene Entscheidung wird nicht die letzte zu dieser Thematik sein.
"Volksverhetzung: Leugnen des Holocausts auf Website strafbar!"