Mit Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurts a.M. vom 06.02.2025 - 16 U 8/2; vorausgehend Landgericht (LG) Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2023 - 2-03 O 230/23, erklärte das Gericht, wie weit sich der Begriff der Selbstöffnung im Presse- und Medienrecht erstrecken kann bzw. wo er seine Grenze findet.
Grundlage für die Entscheidung war, dass ein Verlagshaus mehrfach über die frühere Ehe eines deutschen Profifußballers, der Teil des deutschen Nationalkaders ist, öffentlich berichtete. Dabei wurde auch das Verhalten des Nationalspielers gegenüber seiner damals schwangeren Kindsmutter thematisiert, ohne dass er die Beziehung und anschließende Trennung zuvor veröffentlichte.
Hiergegen wehrte sich der Profifußballer im einstweiligen Rechtsschutz vor dem LG Frankfurt und hatte zum Teil Erfolg, woraufhin die Beklagte Berufung einlegte und vor das OLG Frankfurt a.M. zog. Dieses urteilte jedoch ebenfalls zugunsten des Fußballers, lehnte die Anwendung der Selbstöffnung-Grundsätze ab und verwies auf den vorrangigen Schutz der Privatsphäre des Profifußballers aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG.
Der Begriff der Selbstöffnung: Nicht öffentliche Beziehungen vs. Berichterstattung
Grundsätzlich wird vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Achtung der Privatsphäre geschützt. Dazu gehört auch die Bewertung und Ausgestaltung familiärer Beziehungen. Konträr dazu ist die Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG und das durch Presse vertretene Interesse an der öffentlichen Berichterstattung zur Befriedigung des öffentlichen Informationsinteresses der Allgemeinheit zu beachten. Dieses ist selbst dann anzunehmen, wenn die Presse der Öffentlichkeit keine „wertvollen“ Informationen zugänglich macht.
Der Schutz der Privatsphäre entfällt allerdings, wenn der Rechtsinhaber eigenständig private Belange veröffentlicht. Gewährt er demnach selbst Einblicke in seine Privatsphäre, darf die Presse über die thematisch selben Ausschnitten ihrerseits berichten – sogenannte Selbstöffnung-. Welche Reichweite aber die Selbstöffnung hat, muss im Einzelfall umfassend geprüft werden – so auch im Verfahren vor dem OLG Frankfurt.
Im Verfahren veröffentlichte der Profifußballer Fotos von seiner Tochter, nahm aber nie Stellung dazu, wer die Kindsmutter sei. Auch die Beziehung zur Kindsmutter als solches entzog sich der Öffentlichkeit. Letzteres ordnete der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mit Urteil vom 05.12.2023 (Ak.: VI ZR 1214/20 (KG)) als Teil der Privatsphäre zu. Denn dort hieß es, dass „eine nicht öffentlich gemachte Liebesbeziehung Teil der Privatsphäre ist.“ Auch war aus dem Umstand heraus, dass der Kläger eben nicht eigenständig seine vergangene Beziehung zur Kindsmutter öffentlich auslebte, keine eigenständige Öffnung durch den klagenden Profifußballer anzunehmen.
Einmal geöffnet, immer geöffnet?
Inwieweit der Umstand, dass der Profifußballer nunmehr seine neue Beziehung in der Öffentlichkeit auslebt, bewertete der Senat des OLG Frankfurts wie folgt:
„Gerade im Hinblick auf intime Beziehungen des Betroffenen ist der Umfang der Selbstöffnung eher eng zu ziehen, sodass nicht jede Angabe über eine bestimmte Beziehung dazu führt, dass nunmehr über sämtliche (weitere) Beziehungen des Betroffenen berichtet werden darf“.
Bedeutet im Klartext: indem die vorherige Beziehung des Klägers zur Kindsmutter im Privaten ausgelebt wurde und daher Teil seiner Privatsphäre war und ist, kann eine nachträgliche Öffnung nicht daraus resultieren, dass die Beziehung zur derzeitigen Partnerin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Ein Ausdehnen des Begriffs der Selbstöffnung verbietet sich demnach.
Profifußballer und deutscher Nationalspieler: Besonderes Informationsinteresse an Personen des öffentlichen Lebens
Weiterhin stellt das OLG Frankfurt klar, dass trotz des erheblichen Interesses an der Persönlichkeit des Klägers als deutscher Nationalspieler seine Privatsphäre weiterhin dem Informationsinteresse der Allgemeinheit überwiegt.
Ob an Prominenten/Öffentlichen Personen ein besonderes öffentliches Informationsinteresse besteht, und daher die Berichterstattungen von solchen Personen überwiegend hinzunehmen sind, da sich öffentliche Personen nur eingeschränkt auf ihre Privatsphäre berufen können, ist im Einzelfall zu begutachten.
Hiervon ist das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung nicht ausgegangen. Allein aus der Tatsache heraus, dass der Kläger Profifußballer und Teil des deutschen Nationalkaders ist und nebenher in einer Stiftung tätig ist, und demnach eine Person des Öffentlichen Lebens ist, lässt sich kein Interesse der Allgemeinheit an seiner ehemaligen Beziehung herleiten. Diese Umstände haben ausdrücklich keinen Bezug zueinander.
Fazit: Das OLG Frankfurt stellt folglich klar, dass die Grenze der Selbstöffnung über intime Beziehungen eng anzusehen ist. Zwar gebietet sich keine schematische Bewertung des Selbstöffnungsbegriffs, allerdings schafft das Urteil weiter Klarheit für die Praxis und erleichtert künftige Abgrenzungsproblematiken.
"Presserecht: Fußball-Nationalspieler gegen Medien erfolgreich – keine Selbstöffnung, keine Berichte über Beziehung" von Sadia Azizi, wissenschaftliche Mitarbeiterin