Das LG München I hat eine Klage gegen das sogenannte LKW-Kartell mangels Aktivlegitimation des Legal Tech Start-Ups Financialright Claims GmbH in erster Instanz abgewiesen - Urteil des LG München I vom 07.02.2020 - 37 O 18934/17.
Financialright hatte sich kartellrechtliche Ansprüche von über 3.000 Geschädigten abtreten lassen und im eigenen Namen eingeklagt. Hierbei handelte es sich um mögliche kartellrechtliche Schadensersatzansprüche basierend auf dem sogenannten LKW-Kartell. Der überwiegende Teil der Ansprüche dürfte dabei aus der Rückforderung von überhöhten Kauf- und Leasingpreisen bestehen.
Für die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche hatte sich Financialright eines Prozessfinanzierers bedient.
Nach Ansicht des LG München I verstoße das Geschäftmodell von Financialright gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Das bedeutet im Ergebnis, die Abtretung der Schadensersatzforderungen an Financialright sind nichtig und die Klage ist mangels Aktivlegitimation unbegründet.
Das Urteil stellt nach unserer Einschätzung einen herben Rückschlag für die Legal Tech Szene dar. Erst im November letzten Jahres hatte der BGH zugunsten des Legal Tech Start-Ups Lexfox GmbH entschieden. Dieses betreibt die Plattform wenigermiete.de, über welche Verbraucher per Direktvergleich der eigenen Miete mit dem jeweiligen Mietspiegel einen möglichen Anspruch errechnen und an die Lexfox GmbH abtreten können. Diese schreibt dann die jeweiligen Vermieter an und versucht, eine Einigung zu erzielen. Gelingt das nicht, macht Lexfox, dann vertreten durch Anwälte, die Ansprüche klageweise geltend. Der BGH hatte diese Vorgehensweise gebilligt und die Klage der Rechtsanwaltskammer Berlin abgewiesen - BGH VIII ZR 285/18. Das Urteil wurde allgemein als Grundsatzentscheidung zugunsten der per Inkassolizenz agierenden Legal Tech Start-Ups gesehen.
Das LG München I berücksichtigt die BGH Entscheidung, nimmt im vorliegenden Fall aber eine differenzierte Ansicht ein. Danach sieht es im Wesentlichen zwei große Probleme in der zu entscheidenen Fallgestaltung.
Zum Einen sieht es das Handeln von Financialright nicht mehr durch die Inkassolizenz legitimiert. Anders als bei wenigermiete.de sei das Modell von Financialright nicht auf eine außergerichtliche Tätigkeit ausgerichtet. Vielmehr sei es Financialright von Anfang an um die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gegangen. Damit verstoße die Tätigkeit von Financialright gegen § 3 RDG.
Zum Anderen sieht das LG einen Verstoß gegen § 4 RDG. Danach ist die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nicht erlaubt, wenn es dadurch zu Interessen-/ Leistungskollisionen kommt. Dies sieht das LG durch die Bündelung der Klagen als gegeben an. Bei einem Vergleich würden Kläger, deren Fall aussichtsreicher ist, gegenüber wenig aussichtsreichen Fällen benachteiligt. Denn insgesamt verschlechtern sich die Vergleichsbedingungen aufgrund der Tatsache, dass auch aussichtslose Fälle mit im Klagegestand wären. Aber auch durch die Praxis, mit einem Prozessfinanzierer zu klagen sieht das LG eine Interessenkollision. Financialright müsse an den Prozessfinanzierer berichten. Im Erfolgsfall bekäme Financialright 33% der erstrittenen Kartellschäden, sei aber von den Prozesskosten frei gestellt. Diese Interessenlage könne zu sachfremden Überlegungen führen.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Das letzte Wort dürfte hier auch noch lange nicht gesprochen sein. Das LG München I hat mehrfach betont, dass es seine Abwägungen auf den konkreten Einzelfall bezogen hat. Dennoch dürfte die Entscheidung Strahlkraft haben und wird vermutlich in letzter Konsequenz durch den BGH entschieden werden müssen.
"LG München I: Financialright nicht aktiv legitimiert - Rückschlag für Legal Tech Szene"