Anfang des Jahres wurde der Legal Tech Monitor 2025 erstmalig veröffentlicht. Damit wurde eine Grundlage geschaffen, um die Legal-Tech-Branche in Zukunft erheblich zu fördern und auszubauen. Doch was bedeutet dies konkret?
Der Legal Tech Monitor ist eine umfassende Studie, die den deutschen Legal-Tech-Markt systematisch erfasst und substanziierte Daten und Fakten für den Rechtsmarkt bereitstellt. Bei der Studie liegen drei Stichpunkte klar im Vordergrund: Markttransparenz, Innovation und Wettbewerb. Dafür werden wertvolle Zahlen zur Verfügung gestellt und aktuelle Trends und Bedürfnisse, sowie Herausforderungen im Rechtsmarkt bereitgestellt. Die Studie geht auf eine Initiative des Legal Tech Verbands Deutschland zurück. Die veröffentlichen Informationen sind Ergebnisse aus einer umfassenden Recherche, die die Umfrage von ca. 300 Teilnehmer und 40 Experteninterviews umfasst. Unter den Befragten sind alle Bereiche des Legal-Tech-Marktes vertreten, wie Kanzleien, Rechtsabteilungen, Legal-Tech-Anbieter und die Justiz.
Zustimmung variiert stark
Die Studie zeigt, dass mehr als 90 % der Befragten die Digitalisierung des Rechtsmarktes für unumgänglich und richtig halten. Eine erhebliche Mehrheit ist der Auffassung, dass Legal Tech die juristische Prüfung und Recherche teilweise ersetzen wird, wodurch ca. die Hälfte der Befragten - insbesondere in der Justiz - Bedenken hinsichtlich möglicher Arbeitsplatzverlusten hegt. Insgesamt ist zu beobachten, dass Anwälte aus Kanzleien, Legal-Tech-Anbieter und Investoren gegenüber der Justiz und Rechtsabteilungen deutlich optimistischer eingestimmt sind.
KI als zentraler Innovationsfaktor
Es ist allseits bekannt, dass KI stetig an Relevanz gewinnt. Ungefähr 300 Unternehmen mit bis zu 10.000 Beschäftigten sind im Bereich „Digitale Rechtsdienstleistungen“ tätig, wobei sich die geschätzte Bilanzsumme auf ca. 800 Millionen beläuft. Hierbei führen die Anbieter führen mit über zwei Drittel im B2B-Markt. Dahinter kommen die Verbraucher mit 20-30% und schließlich die öffentliche Hand mit 3-13%. Die wichtigsten Marktsegmente sind Steuer- und Finanzsoftware, Kanzleisoftware, Tools zur Digitalisierung er Justiz und Recherche-bzw. Schreibwerkzeuge. Bei der Umfrage gaben mehr als 80 % der Anbieter an, KI in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren, wobei diese überwiegend zur Dokumentenanalyse und -generierung eingesetzt werden. Um die 55% der Befragten gab an, in den letzten 12 Monaten ein KI-Projekt durchgeführt zu haben. Bemerkenswert ist, dass erfolgreiche KI-Projekte bereits zu messbaren Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen führen. Insgesamt gab kein einziges Unternehmen an, sich nicht mit KI beschäftigt zu haben. Häufig erwähnt wurden große etablierte Unternehmen wie OpenAI, Harvey, C.H.Beck, Wolters Kluwer und deutsche Legal-Tech-Anbieter wie Lawlift, Bryter und June. Zurzeit führen die internationalen Anbieter, wohingegen deutsche KI untergeordnet ist.
5 Segmente der KI Angebote
Die Art der angebotenen Lösungen kann man in mindestens 5 Segmente unterteilen. Diese unterscheiden sich teilweise deutlich im Rahmen der eingesetzten Technologien, verfügbarer Budgets und Erwartungen der Anbieter und Nutzer. Allerdings überschneiden sich die einzelnen Gruppen in der dynamischen Legal-Tech-Branche öfters.
1. Product-Service-Bundles
Bei dieser Produktart kombinieren die Anbieter die technischen Produkte unmittelbar mit Rechtsdienstleistungen.
2. Support-Process-Solutions
Hier werden die Rechtsdienstleister bei der Erledigung juristischer Aufgaben unterstützt ohne eigene Rechtsdienstleistungen zur Verfügung zu stellen (z.B. Kanzleisoftware).
3. Recherche- und Entwurfswerkzeuge
Davon abzugrenzen sind die Programme, die speziell für die Auswertung und Erstellung juristischer Arbeitsprodukte konzipiert wurden (z.B. juristische Datenbanken).
4. Tools für digitale Justiz
Ferner gibt es Tools, die direkt auf die Digitalisierung von Justizprozessen abzielen (z.B. für Dokumentenmanagement)
5. Steuer- und Finanzsoftware
Diese Variante bietet häufig umfassende Lösungen an und richten den Fokus auf rechtliche Fragen Abschreibungsdauern oder Unternehmungsbewertungen.
Herausforderungen in der Branche
Steigender Kapitalbedarf und Finanzierungslücken
Obwohl mehrere Legal-Tech-Anbieter eine solide Finanzierung genießen, besteht ein erheblicher kurz- und mittelfristiger Kapitalbedarf. Mehr als 50% der Anbieter und fast 80% der Kanzleien betonen einen Bedarf an externem Kapital in den nächsten 12 Monaten von mehr als 500.00 Euro insbesondere für die Finanzierung und Investition in KI. Von ca. 1/5 der Befragten wurde sogar eine Finanzierung in Höhe von einer Million als erforderlich betrachtet. Im Jahr 2024 konnten allerdings lediglich 13% der Befragten solche hohen Summen realisieren. Insbesondere entstanden bei jungen Unternehmen Finanzlücken.
Hemmende Regulierungen
Regulatorische Vorgaben wurden von vielen als innovationshemmend wahrgenommen. Es wurden sowohl deutsche Vorgaben kritisiert in Form des RDG und RVG als auch europäische Vorgaben wie die DSGVO und der AI Act. Diese Vorgaben wurden als komplex und das öffentlichen Vergabeverfahren als bürokratisch eingestuft. Die führe zu einer Einschränkung des effizienten Beschaffungsprozess und erschwere den Einsatz neuer Technologien in staatlichen Einrichtungen.
Nachwuchsgewinnung: mangelnde interdisziplinäre Ausbildung
Zurzeit ist die Nachwuchsgewinnung im Sinne eines sog. „War for talents“ insbesondere in der Justiz und kleineren Rechtsabteilungen stark betroffen. Die Studie betont die Relevanz einer interdisziplinären Ausbildung, um die Fachkräfte für die Digitalisierung des Rechtsmarktes auszubilden. Bislang wird im Rahmen der juristischen Ausbildung die Verbknüpfung von juristischen und technischen Kenntnissen vernachlässigt. Dadurch entsteht ein Mangel an qualifiziertem Personal, wodurch die Zusammenarbeit zwischen juristischen und technischen Abteilungen innerhalb eines Unternehmens erschwert wird und als ineffizient und zeitintensiv betrachtet wird. Die meisten Universitäten bleiben beim traditionellen Curriculum, lediglich einzelne Hochschulen bieten Legal-Tech-Module, Zertifikate und Abschlüsse an.
Weitere Herausforderungen
Weitere Herausforderungen stellen sich in langen Verkaufszyklen, aufwendigen Implementierungen, viel Bürokratie insbesondere in öffentlichen Ausschreibungen. Vor allem die fehlende Wiederholbarkeit der Geschäftsbeziehung, die hohen Akquisitionskosten und die begrenzte Skalierbarkeit der Produkte wurde im B2C Bereich kritisiert. Die Implementierung und Integration neuer KI-Produkte in bestehende IT-Infrastrukturen wird häufig als zeit- und ressourcenaufwendig bemängelt. Dies liegt überwiegen an der unzureichenden Digitalisierung einiger Institutionen und fehlender Product-Market-Fit der Lösungen. Demnach ist bereits die Auswahl eines passenden Produkts durch die zunehmende Unübersichtlichkeit des Marktes erschwert.
Ausblick
Der Legal Tech Monitor 2025 bietet allerdings auch einen vielversprechenden Ausblick zur Bewältigung dieser Hindernisse. So wird beispielsweise die Offenheit gegenüber Legal Tech und KI durch praktische Erfahrungen nahegelegt.
Hinsichtlich des steigenden Kapitalbedarfs und der auftretenden Finanzierungslücken werden Investoren dazu ermutigt, frühzeitig in vielversprechende Geschäftsmodelle zu investieren.
Außerdem wird vorgeschlagen, die juristische Ausbildung intensiver auf interdisziplinäre Kompetenzen zu fokussieren, um den steigenden Anforderungen im Legal Teich Bereich gerecht zu werden. So könnten Universitäten und Referendariatsausbildungstellen ihr Angebot auf technologische Inhalte zu erweitern. Somit soll der Schwierigkeit der Nachwuchsgewinnung wirksam entgegengewirkt werden.
Ferner wird von einer fortlaufenden Anpassung der rechtlichen Bestimmung an die dynamische Marktentwicklung gesprochen. Dies erfordere wiederum einen stetigen Dialog zwischen Gesetzgeber, Anbietern und Nutzern.
Letztendlich wird die Relevanz von einem intensiven Austausch und einer Kooperation innerhalb der Legal-Tech-Community - besonders in Form von Vernetzung, Kooperationsinitiativen, und gemeinsamen Standards für Datenerhebung und -analyse - betont. In dieser Hinsicht dient ein stetig verbesserter, die Transparenz fördernder Legal Tech Monitor als effizientes Mittel. Geplant ist daher, die Erhebung künftig regelmäßig durchzuführen und somit den Legal Tech Monitor als „wichtiges gemeinsames Referenzinstrument“ zu etablieren.
"Legal Tech Monitor: Umfassende Studie zum deutschen Legal Tech-Markt"
von Zana Stepanovic, wissenschaftliche Mitarbeiterin