Das Landgericht Berlin hat in einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) entschieden, dass die Preisanpassungsklausel in den Abonnementbedingungen des Musik-Streamingdienstes Spotify unzulässig ist (Urteil vom 28.06.2022, AZ: 52 O 296/21).
Spotify sah dabei in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen (AGB) vor, steigende Kosten an Kunden und Kundinnen weiterzugeben, ohne verpflichtet zu sein, die Preise bei sinkenden Kosten wieder herabzusetzen. Zur Begründung führte Spotify aus, dass die für die Preisgestaltung maßgeblichen Kostenelemente ohnehin stets steigen und nie sinken würden.
Das schwedische Unternehmen betreibt seit 2012 einen Streaming-Dienst für Musik, Videos, Podcasts und andere, zum Teil von Spotify selbst produzierte Inhalte. Diese werden im Wege von Abonnements vertrieben, entweder kostenfrei, durch Werbung finanziert, oder einer kostenpflichtigen Variante ohne Werbeunterbrechungen.
In den Nutzungsbedingungen unter der Überschrift "Preisbedingungen" hatte sich Spotify die folgende Klausel vorbehalten:
"Spotify kann nach billigem Ermessen die Abonnementgebühren und sonstige Preise ändern, um die gestiegenen Gesamtkosten für die Bereitstellung der Spotify-Dienste auszugleichen. Für die Berechnung der Gesamtkosten maßgeblich sind beispielsweise die Kosten der Inhalte (Produktions- und Lizenzkosten), Verwaltungskosten, die Kosten der Pflege und des Betriebs unserer IT-Infrastruktur, allgemeine Gemeinkosten (Kosten des Vertriebs und des Marketings, Personalkosten, Miete, externe Dienstleister), sowie Finanzierungskosten, Steuern, Gebühren und sonstige Abgaben. [...] Spotify kann etwa eine Preiserhöhung erwägen, wenn z.B. die Kosten für Inhalte, die Kosten für die IT-Infrastruktur von Spotify und die allgemeinen Gemeinkosten steigen, was zu einer Erhöhung der Gesamtkosten für die Bereitstellung der Spotify-Dienste führt."
Eine Preissenkung infolge gesunkener Kosten sah die Klausel nicht vor. Die Verbraucherzentrale sah die Klausel zum Anlass, Spotify abzumahnen und forderte das Unternehmen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, welche Spotify ablehnte.
Die Verbraucherzentrale sollte Recht behalten: Das Gericht erachtete die Klausel gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für unwirksam, da sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Bei Preisanpassungsbestimmungen ist die zum Schutz einer unangemessenen Benachteiligung bestehende Schranke des § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB überschritten, wenn sie dem Verwender die Möglichkeit einräumen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Richtet sich das Preisanpassungsrecht nach billigem Ermessen (§ 315 BGB), ist von einer unangemessenen Benachteiligung dann auszugehen, wenn die Klausel zwar das Recht vorsieht, Kostensteigerungen an die Kunden weiter zu belasten, nicht aber die Verpflichtung, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben (BGH, NJW 2016, 936, Rn. 46 f.),
Das Gericht begründete die Rechtswidrigkeit der Klausel wie folgt:
„Dem wird die Klausel nicht gerecht, weil es an einer Verpflichtung der Beklagten fehlt, dass im Fall von Kostensenkungen die Preise zu senken sind. […] Für den Fall einer Änderung der Umsatzsteuersätze sieht die Klausel nur eine Berechtigung, aber keine Verpflichtung zu einer Preisänderung vor. Hierdurch wird es der Beklagten ermöglicht, erhöhte Gesamtkosten durch eine Preiserhöhung aufzufangen, hingegen den Abonnementpreis bei einer Reduzierung der Gesamtkosten, etwa wenn Finanzierungskosten Steuern, Gebühren oder Abgaben sinken, unverändert zu lassen. Risiken einer Veränderung von Kostenelementen, die nicht allein von den unternehmerischen Entscheidungen der Beklagten, sondern von externen Faktoren wie der Gesetzgebung abhängig sind, werden damit zwischen den Parteien ungleich verteilt.“
Spotify konnte sich auch nicht dadurch entlasten, dass kein Bedürfnis nach Preissenkungspflichten bestehe, da die Kosten ohnehin lediglich steigen würden. Gerade die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer im Zeitraum vom Juli bis Dezember 2020 im Zuge der COVID19-Pandemie gab dem Gericht Anlass zu der Annahme, ein Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses anzunehmen, hätte Spotify die Kostensenkung nicht an die Kunden weitergeben.
Zwar räumte Spotify den Kunden ein jederzeitiges Kündigungsrecht ein, dadurch seien aber die Interessen der Kunden nicht angemessen berücksichtigt. Das Gericht erkannte nämlich den Aufwand, den ein Anbieterwechsel für den Kunden bedeuten würde: der Verlust selbst angelegter oder gespeicherter Playlists.
Preisanpassungsklauseln sind immer wieder Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen, besonders durch den verstärkten Trend zu Abonemmentverträgen. So sah das LG Berlin (52 O 157) auch eine Klausel von Netflix, die die Anpassung von Entgelten vorsah, als unwirksam an.
Benötigen Sie Beratung für Ihre Preisanpassungsklauseln? ITMR berät umfassend im Vertrags- und AGB-Recht.
"Spotifys Klausel für Preisanpassungen ist unwirksam"