Presserecht: Fotos mit Thunberg auf propalästinensischer Demo

Ein Teilnehmer einer propalästinensischen Demonstration, von dem in diesem Zuge Bildaufnahmen mit Greta Thunberg entstanden sind und im Nachgang von der „Bild“ unter anderem mit den Textbeiträgen „Islamisten und Israel-Hasser machten fröhlich Fotos mit XXX“ und „Selfie mit Judenhassern“ in Artikeln veröffentlicht wurden, wird nach Auffassung des Landgerichts (LG) Berlin durch die Veröffentlichung nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und hat daher keinen Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung.

Dies hat die 27. Zivilkammer des Gerichts mit Beschluss vom 24. November 2024, Az. 27 O 08/24 eV, auf den Eilantrag des Teilnehmers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entschieden und den Antrag vollumfänglich zurückgewiesen.

 

Hinsichtlich der Bildaufnahmen wurde dies damit begründet, dass die Aufnahmen dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen seien und bei der Abwägung der berechtigten Interessen zwischen dem Abgebildeten und dem Presserecht hier im Ergebnis Letzteres überwiege. Bei den ebenfalls angegriffenen Textbeschreibungen zu den Bildern handele es sich um „grenzwertige, aber noch zulässige Meinungsäußerungen“.

Die Anspruchsgrundlage auf Unterlassung derartiger Berichterstattungen folgt aus §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, §§ 22 f. KUG.

 

Bildveröffentlichungen sind aber dann zulässig, wenn entweder eine Einwilligung gemäß § 22 Abs. 1 KUG vorliegt oder gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Einwilligungserfordernis vorliegt. Eine solche ist zum Beispiel gegeben, wenn Bildnisse dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen sind (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und die berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

 

Ob eine Aufnahme dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, richtet sich wiederum nach dem – vor dem Hintergrund der Pressefreiheit nicht zu eng auszulegenden – Begriff des Zeitgeschehens. Vor diesem Hintergrund seien alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse betroffen, wobei die Medienfreiheit bedinge, dass den Medien auch ein Entscheidungsspielraum zu der Frage zukomme, was als im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse einzustufen sei und ob und wie Berichte zu solchen Themen bebildert werden.

 

Seine Grenzen findet diese Freiheit in der Abwägung der widerstreitenden Interessen. Ergibt diese Abwägung, dass die Interessen des Abgebildeten im Einzelfall überwiegen, so besteht keine Befugnis für die Veröffentlichung.

 

Maßgeblich seien dabei der Gegenstand der Berichterstattung, der Informationsgehalt der Bildberichterstattung im Gesamtkontext des Berichts unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung und die Umstände, unter denen die Aufnahme entstanden ist und wie der Betroffene dargestellt wird. Zu beachten sei ferner, ob der Gegenstand des Beitrags „ernsthaft und sachbezogen“ erörtert und damit zur Bildung der öffentlichen Meinung beigetragen werde oder „ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis“ nur die Leserneugier befriedigt werde. Demnach gilt: Je höher der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto höher muss auch das Schutzinteresse des Betroffenen ausfallen, um in der Abwägung zu überwiegen.

Hier sei der Antragsteller auf den veröffentlichten Bildern zunächst identifizierbar und mithin betroffen, stehe allerdings nicht im Mittelpunkt und sei daher als „Randfigur des Fotos“ anzusehen. Er selbst werde – anders die zwei anderen, mitabgebildeten Demonstrationsteilnehmer – nicht namentlich erwähnt (weshalb ein verständiger Leser die Bildunterschrift „Selfies mit Judenhassern“ nach Auffassung des Gerichts schon nicht auf den Antragsteller beziehen würde).

 

Daneben bestehe an der Berichterstattung zur Situation im nahen Osten ein überragendes Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit, was durch die Teilnahme der weltbekannten Klimaaktivistin, bezogen auf ihr Verhältnis zu den Demonstrationen allgemein sowie auf die Reaktionen der Teilnehmer auf ihre Unterstützung, noch verstärkt würde.

 

Ferner habe der Antragsteller bewusst für das Foto mit weiteren Demonstrationsteilnehmern posiert, wobei erkennbar mit der Beobachtung durch die Presse zu rechnen gewesen sei. Er werde durch die Berichterstattung nicht angeprangert oder stigmatisiert, sondern so abgebildet, wie er selbst für das Foto posiert habe.

 

Auch bezogen auf die Textberichterstattung lehnte das Gericht einen Unterlassungsanspruch ab. Bei der insoweit verfahrensgegenständlichen Textberichterstattung finden sich Formulierungen wie „Judenhasser“, „Islamisten- und Israel-Hasser“ und „(…) schlimmsten Judenhassern. Darunter solchen, die das Wort „Israel“ nicht einmal schreiben wollen, weil sie den Staat vernichtet sehen wollen“. Bei diesen handele es sich um „grenzwertige, aber noch zulässige“ Meinungsäußerungen, die nach Art 5 Abs. 1 GG grundrechtlichen Schutz erfahren. Meinungsäußerungen sind durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt und dem Beweis nicht zugänglich. Dieser Schutz ist aber auch dann anzunehmen, wenn eine Äußerung sowohl einen tatsächlichen als auch einen wertenden Kern enthält, aber von dem wertenden Element geprägt ist, da der Schutz der Meinungsfreiheit ansonsten erheblich eingeschränkt würde.

 

Hier stünde die Bewertung der Demonstration in Form starker Kritik, für die allerdings Anknüpfungstatsachen bestünden, im Vordergrund.

Die von der Kammer bezweifelte Frage, ob ein verständiger Durchschnittsleser die Äußerungen vor dem Hintergrund, dass dieser nicht namentlich benannt wird und auf manchen der Fotos nur eine Randfigur sei, überhaupt auf den Antragsteller bezieht, offenlassend ließ sie den Anspruch jedenfalls daran scheitern, dass jedenfalls die Grenze zur insoweit unzulässigen Schmähkritik nicht erreicht sei. Im Vordergrund der Berichterstattung stehe eine Bewertung der propalästinensischen Demonstrationen und nicht die bloße Herabsetzung des Antragstellers.

 

"Presserecht: Fotos mit Thunberg auf propalästinensischer Demo"

von Dominik Skornia, wissenschaftlicher Mitarbeiter