Erneut entfacht der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit einem seiner jüngsten Urteile eine Diskussion. Schuld daran ist das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung in den verbundenen Rechtssachen C-793/19 und C-794/19 in den Fällen SpaceNet und Telekom Deutschland. In einer Reihe von Urteilen bestätigte der EuGH immer wieder seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2016. Hier erklärte er erstmals, dass das Modell der allgemeinen Vorratsdatenspeicherung gegen geltendes EU-Recht verstößt.
Der Internetprovider SpaceNet und die Telekom Deutschland haben sich in den zugrundeliegenden Verfahren gegen die Speicherpflicht von Verkehrs- und Standortdaten ihrer Kunden gewandt.
Grund für die Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts an den EuGH war, weil die im Telekommunikationsgesetz (TKG) vorgesehene Speicherpflicht weniger Daten und eine kürzere Frist zu deren Speicherung vorsieht, als die bisherige Rechtsprechung. Erneut bestätigt der EuGH: eine allgemeine und unterschiedslose Verpflichtung von Telekommunikationsunternehmen Verkehrs- und Standortdaten ist nicht möglich.
In dem jüngsten Urteil zur Vorratsdatenspeicherung eröffnet der EuGH auf Drängen der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission die Möglichkeit zu einigen Ausnahmen. Der EuGH entschied, IP-Adressen sollen zum Schutz der nationalen Sicherheit und zur Bekämpfung schwerer Kriminalität allgemein und unterschiedslos gespeichert werden dürfen für einen notwendigen Zeitraum. Zuletzt entstand hierüber eine hitzige politische Diskussion, welche untere anderem mit der Forderung der Speicherung der IP-Adressen durch die Innenministerin Nancy Faeser weiter angetrieben wurde.
Weiter entschied der EuGH, dass unter sehr engen Voraussetzungen Internetprovider dazu verpflichtet werden dürfen Verkehrs- und Standortdaten auf Vorrat zu speichern. Auch im Falle einer Bedrohung der nationalen Sicherheit oder zur Bekämpfung schwerer Kriminalität dürfen von bestimmte Personen oder Orten gezielt Verkehrs- und Standortdaten auf Vorrat gespeichert werden für einen notwendigen Zeitraum.
Schließlich erklärt der EuGH das sogenannte Quick Freeze-Verfahren für zulässig. Dies ist eine Maßnahme, welche die anlassbezogene Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten ermöglicht.
Das Urteil des EuGH war hinsichtlich des festgestellten Verstoßes des TKG gegen das EU-Recht wenig überraschend. Ob es eine europäische Regelung zur Vorratsdatenspeicherung geben wird bleibt abzuwarten. Schon jetzt äußern sich allerdings kritische Stimmen. Eine solche Regelung könnte aufgrund der mangelnden materiellen strafrechtlichen Harmonisierung und folglich einer fehlenden gemeinsamen Definition von „schweren Straftaten“ und „schwerer Kriminalität“ zu erheblichen Problemen führen.
"Update II zur Vorratsdatenspeicherung"
von Laura Bindrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin