Urheberrecht: Birkenstocks sind keine Kunst

Der Ansatz, sein Produkt über das Urheberrecht vor Nachahmern zu schützen, ist selbst vielleicht kreativ, jedoch sind Birkenstocks keine Kunst bzw. urheberrechtliche Schöpfung. Hierzu gibt es nun ein Urteil des Bundesgerichtshofs.

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in drei Verfahren (I ZR 16/24, I ZR 17/24, I ZR 18/24) über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen.

 

Die Klägerin, ein Teil der Birkenstock-Gruppe - Vertreiberin verschiedener Sandalenmodelle - war der Auffassung, bei ihren Sandalen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG (Urhebergesetz). Damit wollte sie ihre Sandalen urheberrechtlich vor Nachahmung schützen. Die Beklagten – drei Konkurrenten - verletzten ihrer Auffassung nach durch ihr Angebot das Urheberrecht der Klägerin.

 

Der BGH setzte sich mit der Revision gegen das Urteil des OLG Köln vom 26. Januar 2024 - 6 U 86/23 auseinander, in welchem dieser das Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werkes verneinte und kam zu demselben Ergebnis.

 

Kreativität vor Praktikabilität 

 

Ein Urheberrechtsschutz bestehe nicht, da die Sandalen keine Werke persönlicher geistiger Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG (Urhebergesetz) seien. Sie erfüllten nicht die vom Gerichtshof der Europäischen Union und vom BGH gestellten Anforderungen an ein Werk. Es bestehe keine künstlerische Leistung in den Schuhmodellen. Voraussetzung hierfür sei das Bestehen eines gestalterischen Freiraums, welcher in künstlerischer Weise genutzt worden ist. Ein freies und kreatives Schaffen sei ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst sei eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Ein rein handwerkliches Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente sei dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. Für den Urheberrechtsschutz müsse vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lasse.

 

Grundsätzlich seien Sandalen urheberrechtsschutzfähig. Der Gebrauchszweck eines Gegenstandes stehe der Einordnung als Werk nicht entgegen, er deute jedoch an, ob und inwieweit seine Form vorgegeben oder technisch bedingt sei und lediglich einer schutzlosen Durchschnittsleistung entspreche. Insoweit müsse exakter als bei reinen Kunstwerken herausgestellt werden, inwieweit der Gebrauchsgegenstand über seine von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet ist.

 

Ein freies und kreatives Schaffen sei ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Wenn das Design maßgeblich von technischen Notwendigkeiten bestimmt werde, fehle es an künstlerischer Gestaltungshöhe. Wenn das Produkt einer Form entspreche, die sich aus der Materialbeschaffenheit oder branchenüblichen Standards ergebe, fehle es an der notwendigen Individualität.

 

Die Klägerin trug vor, die Sandalenmodelle nutzen Gestaltungsspielräume kreativ aus. Das Fußbett orientiere sich an einem natürlichen Fußabdruck im Sand, wobei eine individuelle Form zu einem möglich ästhetischem Fußmodells generalisiert werde. Diese werde einfach und pointiert abgebildet. Bei der breitgefächerten Materialauswahl sei eine kreative Gestaltungsentscheidung getroffen worden. Die Entscheidung eines unverkleideten Sohlenschnitts sei eine besondere Ausgestaltung des kreativen Gestaltungsspielraums und sei nicht technisch beding, sondern habe sogar technische Nachteile mit sich gebracht. Damit handele es sich bei der Entscheidung für einen unverkleideten Sohlenschnitt um eine rein künstlerischgestalterische Entscheidung. Die Gegenseite hielt dem entgegen, dass dies allein der Kostenminimierung diene.

 

Eine von der Klägerin vorgetragene „brutalistische Modellgestaltung“ sei nicht mit dem Ziel erfolgt, einen Gegenentwurf der damaligen Vorstellungen der Modewelt zu kreieren, sondern eine an die Fußmodell optimal angepasste Sandale zu schaffen.

 

Schutz nach Designrecht

 

Der Vorteil des Urheberrechts im Vergleich zum Designrecht besteht darin, dass es keinen formalen Eintrag in ein Register gem. § 2 Abs. 1 DesignG (Designgesetz) benötigt, welches gem. § 19 Abs. 1 DesignG vom Deutschen Patent- und Markenamt geführt wird.

 

Die Schutzdauer des Designs beträgt gem. § 27 Abs. 2 DesignG 25 Jahre ab dem Anmeldetag. Dabei muss die Anmeldung vor der ersten Veröffentlichung erfolgen. Eine Verlängerung der Aufrechterhaltung des Schutzes ist jedoch gem. § 28 DesignG möglich. Dagegen erlischt der Urheberrechtsschutz gem. § 64 UrhG erst 70 Jahre nach dem Tod des. Der Erfinder der Birkenstock-Sandale Karl Birkenstock lebt allerdings.

 

Birkenstock hat gegen die Beklagten in allen Verfahren Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der von ihnen hergestellten Sandalen gem. §§ 97, 98, 101 UrhG geltend gemacht.

 

Auch das DesignG gewährt den Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz gem. § 42 Abs. 1, 2 DesignG, sowie Rückruf und Vernichtung gem. § 43 Abs. 1, 2 DesignG und weiterhin auf Auskunft gem. § 46 Abs. 1 DesignG.

 

Gem. § 38 Abs. 1 DesignG gewährt das eingetragene Design seinem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, dieses zu benutzen und Dritten zu verbieten, dieses ohne seine Zustimmung zu benutzen. Eine Benutzung schließt insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Gebrauch eines Erzeugnisses, in das das eingetragene Design aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, und den Besitz eines solchen Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein.

 

Weitere Schutzmöglichkeiten

 

Birkenstock werde in Zukunft unter Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel fortzusetzen, Nachahmer bekämpfen. Neben dem Urheberrecht will sich Birkenstock dabei unter anderem auf Ansprüche nach dem Marken-, Design- und Wettbewerbsrecht stützen.

 

So ist es neben dem Designschutz möglich eine dreidimensionale Marke gem. §§ 6 Nr. 3, 9 MarkenV anzumelden und sich somit auf den Markenschutz nach § 14 MarkenG (Markengesetz) zu berufen.

 

Auch wäre es möglich sich auf ein Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen gem. §§ 3, 4 Nr. 3 UWG zu berufen, wenn die Produkte eine Nachahmung des Wettbewerbers darstellen, um gezielt dessen Marktposition anzugreifen.

 

Damit war die hiesige Klage nur ein kreativer Versuch, sich gegen Wettbewerber zu verteidigen, welcher jedoch nicht verfing. Das Unternehmen gibt selber an, man habe bei dem Verfahren nur gewinnen, aber nichts verlieren können.

 

 

"Urheberrecht: Birkenstocks sind keine Kunst" von Annemarie Schulz, wissenschaftliche Mitarbeiterin