Werberecht Vorher-Nachher Foto

Darf mit Vorher-Nachher-Fotos auf Instagram geworben werden?

Aylin Hark KI-Recht und IT-Recht

Aylin Hark

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28. September 2025

Werberecht. Mit Urteil vom 31. Juli 2025 (Az.: I ZR 170/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Veröffentlichung von Vorher-Nachher-Fotos, die Kunden vor und nach minimalinvasiven Schönheitsbehandlungen zeigen, gegen § 11 Absatz (Abs.) 1 Satz 3 Ziffer (Nr.) 1 Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens - Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstößt.

Worum ging es?

Das beklagte Unternehmen, geführt von zwei bekannten Ärzten und Influencern, bietet in seinen Beauty-Praxen ästhetische, medizinisch nicht notwendige Gesichtsbehandlungen mittels Hyaluron-Unterspritzungen an – etwa zur Nasenkorrektur, Lippenmodellierung oder zum Kinnaufbau. Diese sogenannten minimalinvasiven Eingriffe wurden auf der unternehmenseigenen Website sowie auf Instagram unter Verwendung von Vorher-Nachher-Bildern beworben.

Die Verbraucherzentrale NRW mahnte die Ärzte zunächst außergerichtlich ab und erhob schließlich Klage auf Unterlassung der Werbung mit Vorher-Nachher-Fotos. Ihrer Auffassung nach verstößt die Werbung für Hyaluron-Injektionen mittels Vorher-Nachher-Bilder gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das insbesondere verhindern soll, dass Verbraucher durch Werbung zu medizinisch nicht notwendigen Eingriffen verleitet werden.

Rechtlicher Hintergrund

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG ist es unzulässig, mit Vorher-Nachher-Bildern für nicht medizinisch notwendige „operativ plastisch-chirurgische Eingriffe“ zu werben. Zweck dieser Vorschrift ist es, die Entscheidungsfreiheit potenzieller Patienten zu schützen und zu verhindern, dass sich diese Personen unnötigen gesundheitlichen Risiken aussetzen. Werden Vorher-Nachher-Fotos im Internet präsentiert und dabei ausschließlich die optimierten Ergebnisse betont, besteht die Gefahr, dass Verbraucher die mit dem Eingriff verbundenen Risiken – wie allergische Reaktionen, Infektionen, Schwellungen, Hämatome oder sogar Embolien – ausblenden.

Auslegung des Begriffs des „operativ plastischen-chirurgischen Eingriffs“

Im Kern drehte sich der Rechtsstreit um die Frage, ob auch minimalinvasive Schönheitsbehandlungen unter den Begriff des „operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG) subsumiert werden können. Die Beklagten verneinten dies. Ihrer Ansicht nach erfasst der Begriff nur klassische Operationen mit Skalpell oder Messer. Hyaluron-Unterspritzungen seien lediglich Injektionen – vergleichbar mit dem Stechen von Ohrlöchern, Piercings oder Tätowierungen –, für die eine solche Werbebeschränkung nicht gelten dürfe. Zudem würden Vorher-Nachher-Bilder potenziellen Kunden wichtige Informationen liefern.

Was wurde entschieden?

Der BGH wies die Revision der Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des OLG Hamm. Demnach darf für Behandlungen, bei denen durch Hyaluron-Unterspritzungen die Form von Nase oder Kinn verändert wird, nicht mit Vorher-Nachher-Darstellungen geworben werden. Auch minimalinvasive Eingriffe unterfallen dem Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG.

Der BGH stellt klar, dass bereits die Einbringung von Hyaluron mittels Kanüle zur Formveränderung von Körperpartien – wie Nase oder Kinn – einen „operativ plastisch-chirurgischen Eingriff“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG darstellt. Maßgeblich sei nicht die Tiefe oder Invasivität des Eingriffs, sondern ob ein Instrument eingesetzt wird, um Form- oder Gestaltveränderungen an Organen oder der Körperoberfläche vorzunehmen.

Diese Auslegung hatte zuvor bereits das OLG Koblenz (Urteil vom 23. April 2024 – 9 U 1097/23) und das OLG Köln (Urteil vom 27. Oktober 2023 – 6 U 77/23) vertreten.

Anders sei dies beim Ohrlochstechen, Piercen oder Tätowieren, so der BGH. Diese rein ästhetischen Veränderungen betreffen lediglich die Hautoberfläche und erfüllen daher nicht die Voraussetzungen eines „operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs“ im Sinne des HWG. Eine Verletzung der Grundrechte – insbesondere der Berufsfreiheit oder Meinungsfreiheit – sah der BGH nicht. Die Werbebeschränkungen seien verhältnismäßig und durch den Gesundheitsschutz gerechtfertigt.

Was bedeutet diese Entscheidung?

Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Werbung im Bereich der ästhetischen Medizin:

  1. Ausweitung des Werbeverbots: Das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG gilt nicht nur für klassische chirurgische Eingriffe, sondern auch für minimalinvasive Verfahren. Der Begriff des „operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs" ist weit auszulegen. Künftige Abgrenzungen – etwa bei Behandlungen im Grenzbereich zur Kosmetik (z.B. Lasertherapien, Microneedling) – bleiben abzuwarten.
  2. Stärkung des Verbraucherschutzes: Die Entscheidung schützt Verbraucher davor, sich durch idealisierte Bilddarstellungen in sozialen Medien zu medizinisch nicht indizierten Eingriffen verleiten zu lassen.
  3. Berufsrechtliche und wettbewerbsrechtliche Konsequenzen: Wer weiterhin mit Vorher-Nachher-Bildern wirbt, riskiert wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen sowie berufsrechtlichen Konsequenzen.

Praxishinweis:

Anbieter ästhetischer Behandlungen müssen ihre Werbemaßnahmen in digitalen Medien besonders sorgfältig gestalten. Eine enge Orientierung an den Vorgaben des HWG ist zwingend erforderlich, um rechtliche Risiken zu vermeiden.


"Darf mit Vorher-Nachher-Fotos geworben werden?"

von Aylin Hark, wissenschaftliche Mitarbeiterin

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