08. Oktober 2025
Markenrecht. Das OLG Düsseldorf (OLG) entschied am 07.08.2025, dass ein Logistikdienstleister in Deutschland, der für den Versand von Waren eines Onlineshops aus China nach Deutschland lediglich seine Adresse für die Rückversendung der Pakete angibt, falls diese nicht zugestellt werden können, dafür unter Umständen haftet, wenn diese Waren Markenrechte verletzen und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf bestätigt (OLG: Urteil vom 07.08.2025 - 20 U 9/25 - LG: Urteil vom 19.12.2024 - 37 O 42/24).
Was ist passiert?
Der Antragsteller und Markeninhaber ist ein weltweit führender Sportartikelhersteller. Der Antragsgegner ist Logistikdienstleister in Deutschland und stellte als solcher einem chinesischen Onlineshop beim Export von Ware nach Deutschland seine Adresse als Rücksendelager zur Verfügung. Diese Ware beinhaltete gefälschte Ware des Markeninhabers. Der Sportartikelehrsteller mahnte den Logistikdienstleister daher zunächst ab. Nachdem dieser nicht reagierte, erwirkte er eine Unterlassungsverfügung hinsichtlich der Nutzung der Adresse des Antragsgegners als Rücksendeadresse und anderer mit den Waren einhergehenden Handlungen. In erster Instanz stellte das LG Düsseldorf fest, dass Logistikdienstleister im Rahmen der Störerhaftung auch dann haften können, wenn sie, wie der Antragsgegner hier, lediglich Markenrechtsverletzungen ermöglichen und bejahte den Anspruch auf Unterlassung gegen den Logistikunternehmer.
Die Begründung des Urteils
Das OLG Düsseldorf bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichts in allen wesentlichen Punkten.
Die Kriterien
Grundsätzlich kann der Inhaber einer Marke nach Art. 9 Abs. 2 lit. a UMV von demjenigen, der seine Marke verletzt verlangen die dazu führenden Handlungen zu unterlassen. Dafür müsste derjenige entweder selbst „Täter“ sein oder nach den Grundsätzen der Störerhaftung für die Verletzung einstehen müssen. Ob das Logistikunternehmen durch seine Aktivitäten ein solcher „Störer“ im Sinne der Störerhaftung war, ist der Kern der Entscheidung.
- Willentliche und adäquat kausales Beitragen zu Markenrechtverletzungen
Zunächst kann als Störer bei der Verletzung absoluter Rechte nur in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Als Beitrag kann auch die Unterstützung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Dieses willentliche und adäquat kausale beitragen sah das OLG hier in der Zurverfügungstellung der Adresse als Rücksendeadresse als gegeben an. Der chinesische Onlineshop forderte die Rücksendeadresse in seinen Versandbedingungen. Aus den logistischen Abläufen ergab sich, dass eine solche Rücksendeadresse für den Shop in Deutschland erforderlich war. Nach Ansicht des OLG war es daher unter mehreren Gesichtspunkten klar, dass diese Zurverfügungstellung das markenrechtsverletzende Verhalten zumindest fördert.
- Zumutbare Prüfungs- oder Überwachungspflichten
Die Störerhaftung kann jedoch eingeschränkt werden, wenn der Störer bestimmte Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass durch sein Handeln keine markenrechtsverletzenden Waren vertrieben werden. Dabei kommt es für die zu erfüllenden Sorgfaltspflichten stets auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere ob der Logistikunternehmer diese Pflichten im konkreten Fall hier erfüllt hatte, war umstritten. Der Unternehmer argumentiere mit Wirtschaftlichkeits- und Praktikabilitätsargumenten. Es sei etwa nicht zumutbar jedes Paket zu öffnen und auf Markenrechtsverletzungen zu kontrollieren. Auch könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass Waren auch China immer Fälschungen seien. Eine dauernde Prüfung würde den Betrieb außerdem unrentabel machen.
Im konkreten Fall sah das Gericht eine umfassende Prüfung der Ware aufgrund des Geschäftsmodells des Logistikunternehmens jedoch als zumutbar und erforderlich an. Das konkrete Geschäftsmodell umfasste Einzelwarensendungen direkt aus China an Privatleute. Markenware in diesen Paketen sei, wenn nicht ohnehin gefälscht, jedenfalls nicht erschöpfte Ware. Ein Markeninhaber stimmt einem solchen Direktimport aus China generell nicht zu. Des Weiteren bestand spätestens ab der Mahnung durch den Sportartikelhersteller beim Logistikunternehmer ein Bewusstsein für mögliche Markenrechtsverletzungen. Damit bestand im konkreten Fall eine große Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von gefälschten Waren in den Paketen. Daher waren auch umfassendere Sorgfaltspflichten (etwa häufigere Kontrollen der Ware etc.) angezeigt.
- Haftungsumfang
Die Folge des Urteils für den Logistikunternehmer war, dass diesem unter Androhung eines Ordnungsgeldes untersagt wurde mit seiner Adresse hinsichtlich der Bekleidungsstücke des Sportartikelherstellers in der bisherigen Form als Absender und Rücksendungsablageort zu fungieren oder diese zu verkaufen, in Verkehr zu bringen usw.
Ausdrücklich festgestellt hat das OLG jedoch, dass das Logistikunternehmen im vorliegenden Fall nicht als Täter haftet. Eine solche Haftung kann dann erfolgen, wenn für den Endkunden der Eindruck entstanden ist, der Logistiker sei der Verkäufer selbst. Dies war hier Aufgrund eines Verkaufs im Online-Shop des chinesischen Unternehmens jedoch ausgeschlossen. Dies ist insbesondere deswegen relevant, da der „Störer“ im Unterschied zum „Täter“ im Rahmen der Störerhaftung nicht für Schadensersatz haftet. Auch dies stellte das OLG im Urteil noch einmal explizit fest und berichtigte auch den Tenor des LG noch einmal, um die „Störerstellung“ in Abgrenzung zur „Täterstellung“ des Logistikunternehmens zu verdeutlichen.
Welche Bedeutung hat die Entscheidung?
- Als Logistikunternehmer ist auch eine Haftung für Markenrechtsverletzungen möglich, wenn man lediglich das Verkehr bringen die gefälschten Marken in irgendeiner Weise fördert.
- Logistikunternehmer treffen daher besondere, einzelfallabhängige Sorgfaltspflichten, um zu verhindern, dass gefälschte Waren in Verkehr gebracht werden. Welche konkreten Maßnahmen (Kontrolle der Waren, Kontaktaufnahme Markeninhaber, KYC-prozess, Notice- and -Staydown“ - Verfahren) angezeigt sind, um eine Haftung auszuschließen hängt vom konkreten Einzelfall ab. Spätestens aber nach der Abmahnung durch den Markeninhaber besteht Handlungsbedarf.
- Aufgrund möglicher Haftungsrisiken könnte die Anpassung von Verträgen mit den Exporteuren aus Drittstaaten erforderlich sein, um Haftungsfragen bei Inanspruchnahme durch Markeninhaber im Vorhinein vertraglich zu regeln.
- Grundsätzlich kann das Logistikunternehmen auch zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet werden. Damit dies vermieden werden kann sollten im Vornhinein Maßnahmen getroffen werden, die den Logistikunternehmer klar als solchen und nicht als Verkäufer kennzeichnen.
"Haftung bei Bereitstellung einer Adresse als Rücksendeadresse?"
von Leon Beckmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter