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Urheberechtsverletzungen durch Adblocker?

Lars Templin Markenrecht

Lars Templin

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16. September 2025

Urheberrecht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 31.07.2025 (Az. I ZR 131/23) die Möglichkeit offengelassen, ob die Nutzung von Werbeblockern die Urheberrechte von Website-Betreibern verletzen. Es geht hierbei konkret um die Funktionsweise von Adblockern, bestimmte Datenstrukturen der jeweiligen Webseite, vor dem eigentlichen Herausfiltern der Werbung, im Arbeitsspeicher des Nutzers des Werbeblocker-Plug-Ins zu vervielfältigen. Obwohl der BGH die Entscheidung im konkreten Fall an das OLG Hamburg zurückverwiesen hat, besteht aufgrund der vorliegenden rechtlichen Würdigung durch den BGH ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit für die Vertreiber von Adblocker-Software, da eine rechtliche Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit einzelner Bestandteile von Webseitenprogrammierungen (u.a. von sog. „Bytecode“) in der Folge der Entscheidung des BGH noch aussteht und somit offen gelassen ist, ob die Funktionsweise von Adblocker-Software in Bezug auf diese Bestandteile eine urheberrechtlich relevante „abändernde Vervielfältigung“ darstellt.

Zugrundeliegende Entscheidung der Vorinstanz

Dem o.g. Urteil des BGH liegt ein Verfahren des Axel Springer Verlags, als Betreiber bzw. Pächter der betroffenen Webseiten, gegen den Vertreiber der gegenständlichen Adblocker-Software (Eyeo GmbH) zugrunde. Ein Adblocker bzw. Werbeblocker dient dabei der Unterdrückung von Werbeanzeigen auf Webseiten. Das Verfahren ist Teil eines jahrelangen Rechtsstreits zwischen den beiden Parteien über die Verwendung von Werbeblockern in Bezug auf die Webseiten der Klägerin.

Nachdem u.a. ein vorheriges Verfahren des Springer Verlags gegen die Eyeo GmbH auf der Grundlage von Verstößen der gegenständlichen Adblocker-Software gegen das UWG vor dem BGH (Urteil vom 19.04.2018 - I ZR 154/16) bereits daran gescheitert war, dass der BGH Werbeblocker als rechtlich zulässig erachtete und eine Verdrängungsabsicht der entsprechenden Software i.S.d. § 4 Nr.4 UWG verneinte, bezieht sich das aktuelle Verfahren auf die mögliche Verletzung von Urheberrechten an der betroffenen Webseite als Computerprogramm, im Kontext einer sog. abändernden Vervielfältigung (§ 69c Nr. 1 u. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG)) im Rahmen der Arbeitsweise des Werbeblockers.

Dabei bezieht sich die Klage auf den konkreten Ablauf eines Webseitenabrufs mittels Browsers und die Auswirkungen eines verwendeten Adblocker-Plug-Ins auf diesen. Verkürzt lässt sich der Vorgang wie folgt zusammenfassen:

Beim Abruf einer Webseite mittels Internet-Browsers fordert der Browser vom Server des Betreibers der Webseite eine sog. „HTML-Datei“ an, die im Arbeitsspeicher des verwendeten technischen Geräts gespeichert wird. Eine solche „HTML-Datei“ besteht aus verschiedenen Elementen wie u.a. Text aber auch Verweisen auf andere Server mit externen Speicherorten für Werbung und verwendet „JavaScript“ zur Darstellung der Skriptsprache in der „HTML-Datei“. Der Browser interpretiert in der Folge jenes HTML-Dokument, wodurch eine bestimmte Objektstruktur, ein sog. DOM-Knotenbaum, entsteht, welcher weiterhin u.a. durch das „JavaScript“ verändert wird. Zudem erfolgt eine weitere Formatierung des „HTML-Dokuments“ durch sog. CSS-Strukturen. Auf jene DOM- und CSS-Strukturen als vom Browser erzeugte Datenstrukturen nimmt der Adblocker nun Einfluss. Ein Adblocker verwendet hierbei Filterlisten für als Werbung identifizierte Elemente, um diese nicht auf Bildschirm des Nutzers anzuzeigen. Dabei werden Werbeinhalte entweder bereits nicht vom Browser von den AdServern abgerufen, wenn er die „HTML-Datei“ erstellt oder das Werbeelement wird zwar mit in den Arbeitsspeicher geladen, aber später nicht angezeigt.

Der gegenständliche Adblocker hatte bei seiner Verwendung nun dafür gesorgt, dass sowohl Werbeelemente als auch Teile der redaktionellen Inhalte der Webseiten der Klägerin dem Nutzer nicht angezeigt wurden.

In der Folge wurden wegen dieser behaupteten Verletzung von Urheberrechten an den Webseiten vom Springer Verlag gegenüber der Eyeo GmbH Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft sowie Schadensersatz geltend gemacht.

Dabei wurde von der Klägerin u.a. geltend gemacht, dass es sich bei der Programmierung von Webseiten insgesamt um urheberrechtlich geschützte Computerprogramme i.S.v. § 69 Abs. 1 UrhG handele. Die Klägerin habe in Bezug auf die Programmierungen der gegenständlichen Webseiten die ausschließlichen Nutzungsrechte. Zu den entsprechenden Programmierungen zählten auch die o.g. DOM- und CSS-Strukturen aufgrund der darin enthaltenen Handlungsanweisungen, die ebenfalls Teil der Programmierung und mithin urheberrechtlich geschützt seien. Die Verwendung des Adblockers diesbezüglich führe zu einer unberechtigten Vervielfältigung (§69 c Nr. 1 S. 1 UrhG) und Umarbeitung (§ 69 c Nr. 2 S. 1 UrhG).

Während die Vorinstanzen (LG Hamburg, Urteil v. 14.01.2022, Az. 308 O 130/19 sowie OLG Hamburg, Urteil v. 24.08.2023, Az. 5 U 20/22) entsprechende Ansprüche des Webseitenbetreibers noch ablehnten, verwies der BGH das Verfahren wegen der mit einer unberechtigten Umarbeitung der Webseitenprogrammierung verbundenen Klageanträge nun an das OLG Hamburg zurück.

Das LG Hamburg ginge laut Klägerin bereits fälschlich davon aus, dass die Vorgänge im Arbeitsspeicher des Browsers und in dem vom Browser geschaffenen o.g. Datenstrukturen nicht mehr Ausdruck der Webseitenprogrammierung seien könnten, da hier ständig eine permanente Änderung der Skripte erfolge. Dabei verkenne das Landgericht jedoch, dass auch in diesen Abänderungen Steuerbefehle im Rahmen der Programmierung zu sehen seien. Zudem habe das LG Hamburg zu Unrecht angenommen, es handele sich bei den DOM-Strukturen nicht um eine „Übersetzung“ wie im Rahmen der Umwandlung von Quell- und Objektcodes, da die Codierung hier durch Bytecode erfolge und nicht durch Objektcode. Dagegen führte die Klägerin an, dass der Bytecode für die Steuerung von virtuellen Maschinen wie Browsern erforderlich sei und erst durch die entsprechende virtuelle Maschine eine Umwandlung in einen Objektcode für die CPU des Computers erfolge.

Das OLG Hamburg hatte in seiner Entscheidung ebenfalls noch eine unberechtigte Vervielfältigung sowie Umarbeitung des Programms i.S.v. § 69c Nr. 1 u. 2 UrhG und mithin eine Urheberrechtsverletzung durch den Adblocker abgelehnt.

Eine unberechtigte Vervielfältigung scheiterte hierbei bereits an der Einwilligung des Betreibers in die Vervielfältigung, da Nutzer zum Abruf einer Webseite eine o.g. „HTML-Datei“ in ihren Arbeitsspeicher herunterladen müssen. Das im Internet frei zugängliche Webseitenangebot der Klägerin führe zwangsläufig zu entsprechenden Vervielfältigungen. Diese Würdigung des OLG Hamburgs blieb vom Gegenstand der vorliegenden Revision auch ausgenommen und wurde dementsprechend nicht weiter vom BGH aufgegriffen.

Eine insoweit für die Urheberrechtsverletzung erforderliche Umarbeitung wurde vom OLG Hamburg ebenfalls abgelehnt. Die gegenständliche Software greife in ihrer Funktionsweise grade nur in den Programmablauf und nicht in die Programmsubstanz ein. Die vom Adblocker beeinflussten DOM- und CSS-Strukturen würden zwar anders als von der Klägerin intendiert angezeigt, stellten aber keinen Teil der Programmsubstanz dar. Insbesondere erzeuge der Adblocker nur ein temporäres Zwischenergebnis an diesen temporär vom Browser erzeugten Datenstrukturen im Sinne eines HTML-Dokuments im Arbeitsspeicher. Die Einwirkung bleibe auf jene Strukturen begrenzt.

Bewertung der Entscheidung durch den BGH im Kontext der Revision

Der BGH sah die o.g. Begründung des OLG Hamburg als unzureichend an, um eine Verletzung des Urheberrechts der Klägerin durch die Nutzung des Werbeblockers der Beklagten auszuschließen.

Das OLG Hamburg habe bereits hinsichtlich eines Eingriffs in den Schutzbereich eines Computerprogramms im Sinne von § 69a UrhG und der damit eingehenden Verletzung durch eine Umarbeitung im Sinne von § 69c Nr. 2 S.1 UrhG nicht hinreichend den Vortrag der Klägerin zur Einwirkung des Adblockers auf die schutzfähige Substanz ihres Computerprogramms gewürdigt. Insbesondere wird kritisiert, dass sich das OLG nicht hinreichend damit befasst habe, ob die o.g. Datenstrukturen (DOM und CSS) ebenfalls als Teil des geschützten Computerprogramms einzustufen wären. Hintergrund ist die aktuelle Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen bezüglich des Verfahrens „Action Replay“ (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2023 - I ZR 157/21), in welchem der EuGH basierend auf der Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG entschieden hatte, dass zu den „urheberrechtlich geschützten Ausdrucksformen eines Computerprogramms der Quellcode und der Objektcode gehören, da sie die Vervielfältigung oder spätere Entstehung dieses Programms ermöglichen.“ Elemente des Programms, wie seine Funktionalität, unterfallen diesem Schutz hingegen nicht. Die Beschränkung des urheberrechtlichen Schutzes auf Quellcodes und Objektcodes folgt dabei der Wertung, dass grade diese den „buchstäblichen Ausdruck des Computerprogramms widerspiegeln und mithin eine Folge von Befehlen darstellen, nach denen der Computer die vom Urheber des Programms vorgesehenen Aufgaben ausführen soll.“ (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2024 – C- 159/23). Die Klägerin führte dementsprechend im Rahmen der Revision aus, dass die vom OLG Hamburg nur als temporär bezeichneten Datenstrukturen (DOM und CSS) nicht lediglich Teil des Programmablaufs seien, sondern sich die Programmsubstanz auch hierauf erstrecke. Dies wurde damit begründet, dass auch o.g. Datenstrukturen sämtliche ausführbaren Programmbefehle enthalten würden. Das OLG Hamburg habe nicht hinreichend festgestellt, was vom Code einer Webseitenprogrammierung umfasst sei, zumal Code durch Code erzeugt werden könne, der ebenfalls urheberrechtlich geschützt sei.

Zwar handele es sich bei diesen Daten, die vom Adblocker genutzt werden, nicht um den HTML-Quellcode der betroffenen Webseite, sondern um den bei der Verwendung von Browsern erzeugten sog. „Bytecode“. Dennoch mache das OLG im Kontext moderner Webseitenarchitektur nicht hinreichend deutlich, welche Bestandteile der Webseitenprogrammierung zu den schutzwürdigen Computerprogrammen i.S.v. § 69a UrhG gehören sollen. So argumentiere das OLG Hamburg bereits widersprüchlich bei der Kontextualisierung zwischen Code und den betroffenen Datenstrukturen, wenn es annimmt, dass der Eingriff des Werbeblockers in die Datenstrukturen zugleich lediglich die Programmausführung betreffe aber auch einzelne Programmbefehle der Klägerin hierdurch blockiert oder überschrieben, nach den o.g. Ausführungen also Code verändert, würden.

Außerdem erfolgte in Bezug auf den o.g. „Bytecode“ oder den auf Basis dieses Codes erzeugten Programmablaufs der Adblocker-Software keine rechtliche Einordnung durch das OLG Hamburg, ob es sich hierbei nun um im Sinne von § 69 c UrhG vor unzulässiger Umarbeitung oder Vervielfältigung geschützte Bestandteile eines Computerprogramms handele. Auf den o.g. Sachvortrag der Klägerin im Rahmen der Berufungsbegründung wurde kein Bezug genommen.

Diesbezüglich steht nun eine rechtliche Einordnung durch das OLG Hamburg aus, ob der „Bytecode“ zu den urheberrechtlich geschützten Ausdrucksformen eines Computerprogramms im Sinne der o.g. EuGH-Rechtsprechung zu zählen. Zudem ist zu entscheiden, ob es sich lediglich um die Veränderung variabler Daten handelt, die vom Computerprogramm auf dem Arbeitsspeicher angelegt wurden oder ob die Veränderung des Bytecodes durch den Adblocker auch tatsächlich den Code als Ausdruck der Webseitenprogrammierung selbst betrifft.

Bedeutung der Entscheidung und Rechtsfolgen

Zunächst einmal ändert das o.g. Urteil des BGH die Rechtslage bezüglich einer möglichen Urheberechtsverletzung durch Adblocker-Software nicht ab. Das OLG Hamburg wird gesondert in Bezug auf die Ausführungen des BGH begründen müssen, ob es auch hinsichtlich der verwendeten Bestandteile des Programms durch den Adblocker (insbesondere dem o.g. „Bytecode“ als Grundlage der Funktionsweise des Adblockers) eine Verletzung von Urheberrechten am gegenständlichen Computerprogramm (der Webseiten-Programmierung) weiterhin ausschließt. Auf Basis dieser Argumentation könnte der BGH im Rahmen einer erneuten Revision dann seinerseits entscheiden müssen, ob er die vom Adblocker verwendeten Bestandteile als urheberrechtlich geschützt einstuft. Im Kontext der Entscheidung des BGH zu Cheat-Software (vgl. oben) bleibt hier zunächst offen, ob der BGH die Funktionsweise der Adblocker spiegelbildlich als Umschreibung des Objekt- oder Quellcodes der Webseite einstufen würde. Vor dem Hintergrund, dass der BGH die Entscheidung an das OLG Hamburg zurückverwiesen hat, scheint der BGH allerdings der Argumentation des Springer Verlags zugänglich, dass der vom Adblocker-Programm verwendete und umgeschriebene Bytecode einen entsprechenden urheberrechtlichen Schutz genießt. Dies bedeutet künftig Rechtsunsicherheit für das Geschäftsmodell der Adblocker-Anbieter.

Da die finale Entscheidung bezüglich einer Urheberechtsverletzung durch die Verwendung von Werbeblockern somit noch aussteht, bleiben die rechtlichen Folgen zunächst reine Spekulation. Es wären jedoch zwei, grundlegende Szenarien denkbar:

1. Variante: Adblocker bleiben urheberrechtlich unbedenklich

Es könnte dazu kommen, dass das OLG Hamburg (und möglicherweise abschließend der BGH), trotz der besprochenen Argumente der Klägerin, weiterhin eine Urheberrechtsverletzung am Code der Webseite durch die Verwendung von Adblockern ausschließen. Dies würde bedeuten, dass Adblocker-Vertreiber ihre Software unproblematisch weiter an die Nutzer vermarkten könnten, ohne das Risiko urheberrechtlicher Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Betreiber der Webseiten auf sich zu ziehen. Allerdings würde eine solche Entscheidung auch weiterhin die monetäre Vermarktung und Finanzierung solcher Online-Angebote über die Implementierung von Werbung erschweren.

2. Variante: Adblocker verletzen das Urheberrecht der Webseitenbetreiber

In diesem Fall würde das Risiko bestehen, dass sich Adblocker-Anbieter mit zahlreichen Klagen der Webseitenbetreiber konfrontiert sähen. Das Ausmaß der Nutzung dieser Software durch den Endverbraucher ist insoweit beliebt und schwer quantifizierbar. Anpassungen und Einschränkungen der Wirkweise von Adblockern wären vor diesen rechtlich riskanten Bedingungen dringend durch die Anbieter vorzunehmen, um sich nicht dem Risiko urheberrechtlicher Unterlassungs- und Ersatzansprüche auszusetzen.

Wir stehen bei alle Fragen zum Urheberrecht fachanwaltlich zur Seite.


"Urheberechtsverletzungen durch Adblocker?"

von Lars Templin, wissenschaftlicher Mitarbeiter

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